Lifestyle

10.000, 20.000, 30.000 – geht noch mehr?

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Vor Kurzem hatten wir einen Termin in einer uns eher unbekannten Stadt und diesen haben wir dann auch gleich dazu genutzt, einen weiteren Tag für unser persönliches Sightseeing anzuhängen. Einen Bummel durch diese Stadt machen, sich durch die Gassen und Gässchen treiben lassen, dazwischen in unserem eigenen Tempo Sehenswürdigkeiten betrachten, aber auch sonstige kleine Besonderheiten entdecken – hier um diese Ecke, dort um eine andere und am Ende des Tages mit tollen Eindrücken zurückzukehren.

Ja und dann zeigt ein Blick auf die Watch, dass unser heutiger Spaziergang doch glatt 30.000 Schritte gezählt hat. 30.000 Schritte, also wenn mir am Morgen jemand gesagt hätte, dass ich heute über 20 Kilometer gehen werde, hätte ich wohl nur ungläubig den Kopf geschüttelt und auch jetzt bin ich noch ganz verwundert, wie viel Bewegung ich doch an diesem eigentlich gemütlichen Tag gemacht habe, ohne dass mir das dabei bewusst gewesen ist. Vielleicht sollte ich das mit dem Sport doch nochmal hinterfragen?

 

Schneller, weiter, höher

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„Ich bin gestern 1.000 hm mit dem Rad gefahren.“, „Ich habe diese Strecke in weniger als 3 Stunden zurückgelegt.“, „Ich bin auf den 3.000er gestiegen“. Dann folgen noch weitere Schilderungen, wie schnell die Kurve, wie schwierig eine Strecke, wie anstrengend die Höhe gewesen sind. Dann werden die Zahlen miteinander verglichen, dann wird analysiert, warum die Fahrt heute um 5 Minuten länger gedauert hat, warum weniger Höhenmeter geschafft worden sind. Ich will natürlich jetzt niemanden zu nahe treten und habe Verständnis für alle, die hier mit Begeisterung dabei sind, aber wenn Gespräche in diese Richtung driften, schalte ich gerne mal auf Durchzug.

Bewegung ist natürlich wichtig und sinnvoll sowohl für unseren Körper als auch die geistige Beweglichkeit, aber sobald dies immer mehr in Richtung Wettkampf geht, wenn der Berg in einer bestimmten Zeit bestiegen werden soll, wenn eine Strecke unter einem bestimmten Limit mit dem Rad zurückgelegt werden soll, dann ist das für mich nur mehr Druck und den brauche ich in der Freizeit wirklich nicht. Für manche ist es sicherlich ein Erfolgserlebnis, wenn sie ihre eigene Leistung überbieten können und einen persönlichen Rekord aufstellten. Für sie bedeutet dies wohl auch Freude und Glücksgefühl. Das ist dann natürlich auch gerechtfertigt und sinnvoll, aber ich kann diesem „Schneller, weiter, höher“ absolut nichts abgewinnen. Es darf gerne mal eine gemütliche Wanderung oder eine Radtour sein, ohne den Drang, das Ziel in einer bestimmten Zeit zu erreichen oder eine bestimmte Wegstrecke zurückzulegen.

 

Was sagt das Gerät?

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Für die Sportbegeisterten gibt es auch jede Menge unterschiedlicher Gadgets, die die sportlichen Leistungen messen und bewerten. So kann dann eben betrachtet werden, wie viel Sport in welchem Ausmaß in einem bestimmten Zeitraum gemacht worden. Wenn mir jedoch dann so ein Gerät erklärt, wie viel Sport ich heute noch machen muss, um ein Mindestmaß zu erreichen oder vielleicht meint „Du solltest dich wieder etwas bewegen“, wenn ich schon zu lange sitze, dann ist das für mich persönlich zu viel des Guten. Solche Entscheidungen fälle ich dann doch lieber selbst, obwohl es sicherlich für manche ein Ansporn ist, Bewegung im Alltag einzubauen, obwohl es eine Anregung sein kann, sich mehr zu bewegen, obwohl ein Überblick über die Trainingseinheiten vielleicht auch motivieren kann.

Andererseits gibt es ja auch viele Geräte, die uns das Leben, vor allem den Alltag erleichtern und einfacher machen. Wenn wir da gleich mal an eine beliebte Abendbeschäftigung denken – da wird der Fernseher angeworfen und durch die Sendungen gezappt. Die älteren unter uns erinnern sich wohl noch an die Zeit, als für den Fernseher nur zwei Sender zur Verfügung gestanden sind und diese direkt am Fernseher mit dem Knopf umgeschaltet werden mussten. Also jedes Umschalten war mit einem Aufstehen und einem Hingehen zum Fernseher verbunden. Dann gibt es etwa das Garagentor, wo früher körperliche Betätigung zum Öffnen notwendig war und heute nur eine Taste gedrückt wird. Die Rollläden werden ebenfalls ferngesteuert bedient und schließlich kann mit einem Smart-Home bereits aus der Ferne die Klimaanlage eingeschaltet werden.

Aber auch bei den „Sportgeräten“ selbst zeigt sich das – die Fahrräder werden immer leichter, um die Anstrengung möglichst gering zu halten und dann ist das Rad gegebenenfalls auch mit einem Motor ausgestattet. Das soll jetzt nicht als eine Absage an die technischen Entwicklungen gesehen werden, im Gegenteil – ich mag vieler dieser Errungenschaften und freue mich über die neuen Geräte. Ja und ich bin auch stolze Besitzerin eines E-Bikes – aber durch die Erleichterungen auf der einen Seite ist natürlich mehr körperliche Aktivität auf der anderen Seite gefordert.

 

Lasst es uns wie die Kinder tun!

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Wenn wir jetzt mal die kleinen Kinder beobachten, welche Strecken diese bei den alltäglichen Begebenheiten schon zurücklegen, einfach weil sie kleinere Füße haben und mehr Schritte für den gleichen Weg benötigen, weil sie gerne zwischen den anderen hin und her laufen und dabei auch noch zusätzliche Strecken zurücklegen, weil sie oftmals quasi nicht nur gehen, sondern hüpfen oder laufen und somit ebenfalls noch mehr Bewegung in den gewöhnlichen Ablauf der Fortbewegung bringen. Aber auch alleine, um etwa auf eine Bank oder einen Sessel zu klettern, ist für sie schon wieder zusätzliche Anstrengung erforderlich.

Daher finde ich es manchmal gar nicht so schlecht, sich die Kleinen zum Vorbild zu nehmen und ein bisschen die Kindheit zurückzuholen, beim Spaziergang auf einem Baumstamm zu balancieren oder über eine Wurzel zu springen oder zum Bach runterzuklettern und zu plantschen. Na und außerdem, was haben wohl die meisten von uns in der Kindheit geliebt? Natürlich das Schaukeln, egal in welcher Form diese ausgeprägt waren. Also warum heute davon Abstand halten – ein bisschen durch die Luft schwingen, sich frei, froh und unbeschwert fühlen, die Gedanken fliegen lassen. Das ist doch gleichzeitig eine schöne und entspannte Bewegung – lasst uns also das Kind in uns wieder entdecken und damit auch ein bisschen diesen Bewegungsdrang hervorholen und ausleben.

 

Was ist mit den älteren Menschen?

Um jetzt von den ganz kleinen Menschlein auf das Gegenteil umzuschwenken: Unlängst haben wir beim Besuch eines befreundeten Paares ihre Mutter gesehen, wie sie die Einfahrt von Unkraut

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befreit hat. Eine fünfundachtzigjährige Frau hat hier auf den Knie am Boden gearbeitet – eine Frau in einem Alter, in dem viele an eine solche Arbeit gar nicht denken, geschweige denn sie machen würden. Doch für sie war das eine Selbstverständlichkeit, dass sie mithilft und auch bei vielen anderen Tätigkeiten anpackt. Meine Tante ist ebenfalls so eine fitte und agile ältere Frau, die sich vom Alter nicht beeindrucken lässt, sondern tut, was sie kann und mag, ohne auf allfällige kleine Zipperleins zu achten.

Doch es gibt auch das absolute Gegenteil in unserer Familie – meine Schwiegermutter sitzt gerne in ihrem Stuhl und schickt ihre Enkelkinder oder Kinder durch die Gegend, um ihr etwas zu trinken zu holen, ihre Weste zu bringen, ihre Brille zu suchen. Dieses Verhalten zeigt sie schon Jahrzehnte und je älter sie wird, desto bequemer wird sie, desto mehr lässt sie sich umsorgen. Natürlich sind wir älteren Menschen gegenüber gerne hilfsbereit und unterstützen sie, vor allem wenn sie gebrechlich sind und sich nur beschwerlich bewegen können. Doch in manchen Fällen ist das meines Erachtens fast eine Art Bärendienst, da dann doch ihre Beweglichkeit und Gelenkigkeit umso mehr darunter leidet.

Um hier das Sprichwort „Wer rastet, der rostet“ zu bedienen, je weniger wir uns bewegen, umso schwerer fällt es uns, denn die Gelenke und Muskeln sind dann an Bewegung nicht gewöhnt und werden gegebenenfalls immer steifer und unbeweglicher. So verfallen viele bei leichten Schmerzen – ich spreche hier wohlweislich nicht von schweren Verletzungen und Entzündungen – dem Fehler, eine Schonhaltung einzunehmen, die Bewegung noch mehr zurückzuschrauben, vielfach ist es aber so, dass hier einfach die entsprechende laufende Beanspruchung fehlt und durch die Schonung der Schmerz eher verschlimmert wird.

 

Was sagt der Sportmuffel dazu?

Sport war ja Zeit meines Lebens so ein schwarzes Loch und hat mir zudem auch gerne mal ein schlechtes Gewissen verursacht – „Du sollst Sport betreiben“, schwebt doch immer über uns allen und wenn ich dann die Jogger die Wege entlanglaufen sehe, dann rührt sich das schlechte Gewissen natürlich gleich mal. Als dann zu Beginn der Pandemie vermehrt diese Fitness-Videos aufgetaucht sind und sehr viele in Richtung einer sportlichen Betätigung gedrängt haben, da hat sich dieses schlechte Gewissen verstärkt – ich sollte doch auch etwas machen, ich sollte doch auch zumindest laufen gehen.

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Doch dann hat jemand mal gemeint – ich sei zwar ein Sportmuffel, aber kein Bewegungsmuffel. Ja, und da muss ich zustimmen. Wenn ich das Wort Sport höre, dann denke ich doch gleich mal an diese meist schweißtreibenden Betätigungen, ob nun mit Ball oder ohne, mit viel Laufen, meist auch mit Wettbewerb und Leistungsdruck und dazu finde ich nicht wirklich Zugang. Aber Bewegung, die sich nicht nur durch die typischen Sportaktivitäten auszeichnet, ist da schon etwas Anderes. Im alltäglichen Leben sind so viele Bewegungsmöglichkeiten einfach so nebenbei gegeben, Bewegungen, die uns nicht explizit auffallen, Bewegungen, die wir nicht der sportlichen Betätigung zuordnen, sondern die sich eben aufgrund einer anderen Aktivität, einer Handlung ergeben und dabei nicht direkt im Blickfeld stehen.

So geht es mir eben bei einem Stadtrundgang, da gibt es so viel zu sehen, so viel zu entdecken und vor lauter Schauen und Betrachten wird mir die Wegstrecke, die ich dabei so nebenbei zurücklege, gar nicht bewusst. Oder wenn ich mit meinem Patenkind auf der Wiese herumtobe, da wird gesprungen und gelaufen, ohne an Sport zu denken. Ein totaler Gegensatz dazu wäre es für mich, wenn ich im Fitnessstudio auf einem Heimtrainer eine halbe Stunde trainieren müsste.

„Der Weg ist das Ziel“ – wenn dieser so interessant und vielseitig gestaltet ist, wenn dann die körperliche Betätigung eigentlich nur Mittel zum Zweck ist, dann lässt sich diese für mich auf eine einfache und angenehme Weise in den Alltagsablauf integrieren, viel besser als ein paar intensive Sporteinheiten an einzelnen Tagen und mit diesem Schema komme ich auch gut zurecht.

 

„Sport ist Mord.“

oder

„Im Leben ist keine Stunde verloren, die man mit Sport verbringt.“

Beides Zitate, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch beide Winston Churchill zugeordnet werden. Welchem würdest du dich eher anschließen? Wie wichtig ist dir Sport – gehört er unbedingt zu deinem Leben und fühlst du dich nach einer Sporteinheit so richtig wohl? Bist du eher ein Sportverweigerer oder vielleicht ja ein Sportmuffel, aber magst dennoch die Bewegung?
Ich freue mich schon, von dir zu lesen.