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Lesestunde mit „Just like you“ – Wirklich alles nur Klischee?

Justlikeyou-Wonderfulfifty

Wir haben wohl alle so unsere Lieblingsbücher, unsere Lieblingsautoren, unsere Lieblingsgenres, zu denen wir immer wieder gerne für gemütliche Lesestunden greifen. Aber hin und wieder ist es auch interessant, mal die für uns gewohnte Schiene zu verlassen und etwas über den eigenen Tellerrand zu blicken und da geht mein Blick gerne auf eure Beiträge, denn hier habe ich schon etliche interessante Bücher entdeckt, die entweder meinen bisherigen Lesegeschmack absolut treffen oder mich eben auch auf ein neues und eher unbekanntes Terrain führen. So darf es auch mal ein Autor sein, obwohl ich normalerweise unbewusst eher zu Büchern von Autorinnen greife, da darf es auch mal ein Autor sein, von dem ich bisher noch kein Buch gelesen habe, und so darf es auch mal wieder ein Buch in einer Fremdsprache sein.

So bin ich dieses Mal durch Nicole bei dem bisher für mich unbekannten Schriftsteller Nick Hornby gelandet und als sein neues Buch vorigen Herbst erschienen ist, habe ich es auch gleich nach dem Erscheinen gekauft und gelesen und dabei an eine eventuelle Beschreibung gedacht. Doch schlussendlich hat ein aktuelles Ereignis dazu geführt, dass dieses Buch jetzt wieder in den Vordergrund gerückt ist – doch dazu später mehr.

 

Sprache und Schreibstil

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Ich habe das Buch in der englischen Version gelesen, einerseits weil ich finde, dass die Übersetzungen dem Original in vielen Fällen nicht gerecht werden oder sich vielleicht auch die Eigenheit einer Sprache nicht immer in einer anderen entsprechend abbilden lässt und andererseits, weil ich immer mal wieder gerne ein Buch auch in einer Fremdsprache lese.

Im Buch von Nick Hornby treffe ich auf eine Version der englischen Sprache, die für mich leicht lesbar und vor allem auch verständlich ist, also kein ausgeprägtes spezifisches Fachvokabular, keine komplizierten Satzformulierungen, kein komplexer Aufbau. Wenn ich dann mit meinem Kindle im Zug oder in der U-Bahn unterwegs bin und um mich der morgendliche oder abendliche Lärm herrscht und die Ansagen durch den Lautsprecher ertönen, dann kann ich hier immer noch mein Buch lesen, ohne ständig den letzten Absatz nochmals und nochmals und nochmals durchzugehen, weil er wieder gedanklich an mir vorbeigegangen oder eben sehr komplex und inhaltsreich ist.

 

Worum geht es denn nun?

Der Roman handelt im Wesentlichen von einer Liebesgeschichte, aber von einer vielleicht nicht alltäglichen Liebesgeschichte vor einem nicht alltäglichen Hintergrund. Dazu begeben wir uns auf die Insel und zwar nach Großbritannien und das in einem besonderen Schicksalsjahr für die Briten, nämlich in das Jahr 2016 und somit in die Zeit der Brexit-Abstimmung. So beginnt etwa auch der Klappentext der deutschen Übersetzung mit den Worten „Liebe in Zeiten des Brexits“.

Da es sich im weitesten Sinne um eine Liebesgeschichte handelt, brauchen wir dazu natürlich mal zwei zentrale Figuren, die uns durch die weitere Handlung führen. So haben wir hier einerseits Lucy, eine 42-jährige Englisch-Lehrerin, die derzeit in Scheidung lebt und als Gegenpart den 22-jährigen Joseph, einen Fußballtrainer und Aushilfsfleischhauer, der von einer Karriere als DJ träumt.

Die beiden lernen sich in der Fleischhandlung, an Josephs Arbeitsplatz kennen und Joseph übernimmt immer wieder mal Babysitterdienste bei den beiden Jungs von Luca, wenn diese abends ausgeht. Und es kommt, wie es in solchen Geschichten kommen muss und wie das vielleicht gleich mal ein bisschen nach Kitschroman und Schnulzenfilm klingt, die beiden verlieben sich trotz aller Unterschiede ineinander oder wie man auch gerne sagt: Gegensätze ziehen sich an. Doch in diesem Fall treffen verschiedene Welten gleich in mehreren Ebenen aufeinander und es wird uns die Unterschiedlichkeit in dieser gemischten Beziehung in diversen Varianten aufgezeigt.

The person you are with is just like you: same background, same age, same interests. The perfect match. And it is a disaster. Then, when and where you least expect it, you meet someone new. You seem to have nothing in common and yet, somehow, it feels totally right. Nick Hornby’s brilliantly observed, tender but also brutally funny new novel gets to the heart of what it means to fall surprisingly and headlong in love with the best possible person – someone who is not just like you at all.

Wir haben im Gegensatz zu der meist gängigeren Version der sogenannten Sugar-Daddys in dieser Handlung den jungen Mann und die nicht mehr ganz so junge Frau, die sich hier nach und nach annähern. Das bietet natürlich schon mal Einiges an Konfliktpotential sowohl zwischen dem Paar selbst, führt aber auch zu Fragen und Kopfschütteln in der Familie, in den jeweiligen Freundeskreisen und auch im Umfeld.

„But where‘s it going?“ said his mother. „Where‘s anything going?“ said Joseph.
„You‘re not looking for something permanent?“
„No. I‘m twenty-two. I don‘t want to get married, I don‘t want to have kids“.

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Doch der Age Gap ist in diesem Fall nicht einzige Unterschied bei dem ungleichen Paar, wir haben hier auch den Unterschied in der Hautfarbe, denn bei Lucy handelt es sich um eine weiße Frau und bei Joseph um einen schwarzen Mann. Das führt neben aller Zuneigung, allem Verständnis und Bemühen dennoch immer wieder mal zu ungewollten und unbewussten Missverständnissen.

… according to Lucy, he‘d be telling her she was a racist. He didn‘t think she was a racist, not really. The two racist things she‘d said were, „You must know someone who can sing“, and…

Und last but not least ist auch der kulturelle Unterschied gegeben, während Joseph von seiner Musik begeistert ist, gerne als DJ eine Tanzfläche füllen möchte, führt dies bei ihm zur Verwirrung, als sich Lucy ebenfalls zum Tanzen bei diesen Rhythmen hinreißen lässt. Lucy hingegen ist belesen und intellektuell gebildet, Literatur und Theater haben bei ihr einen hohen Stellenwert, während Joseph seine schulische Ausbildung abgebrochen hat.

It was the first time he had ever felt younger than her. Or rather, it was the first time she‘d ever felt older than him.

Doch daneben werden mit anderen Personen noch weitere Aspekte ins Spiel gebracht, so treffen wir etwa durch Lucys Ex-Mann auf das Suchtverhalten, in diesem Fall das Problem des Alkoholismus, der das Leben eines Menschen aber auch das einer ganzen Familie zerstören kann und über allem schwebt zudem immer wieder die Thematik des Brexits, die von den Menschen unterschiedlich gesehen und argumentiert wird und dann stellt sich Lucy auch die Frage:
How would Shakespeare have voted? She supposed it depended on how old he was at the time of the referendum…. To some English people, Shakespeare was a justification for never having anything to do with the rest of the world…

Das Buch lebt besonders von den Dialogen, da unterhalten sich Lucy und Joseph, da spricht Joseph mit seiner Kollegin, da trifft Lucy auf ihren Ex-Mann, es folgen Gespräche mit Freunden, mit Nachbarn, mit der Polizei. Doch wir dürfen dabei auch immer mal wieder hinter die Fassade der Menschen blicken, wir erfahren von ihren Gedanken und Überlegungen, in die wir Einblick erhalten und eintauchen dürfen und die uns die Zweifel, die Irritationen, aber auch die Freuden der einzelnen Personen zeigen.

Lucy lay there in the dark, still angry with Fiona, wondering how many of her friends she liked, and how many she would still like, by the time Brexit and Joseph were over.

 

Ende der Geschichte

Damit landen wir auch schon beim Ende des Buches – keine Sorge, es folgt jetzt kein Spoiler und ich verrate nichts um den tatsächlichen Ausgang der Geschichte. Es gibt nur eine kleine Anmerkung meinerseits, das Ende des Buches kommt für mich etwas zu abrupt und zu plötzlich – es wirkt für mich fast so, als wenn jetzt schnell noch der Schluss geschaffen werden muss, ein Sprint auf der Zielgeraden. Eine rasche Abwicklung muss ja an und für sich nicht unbedingt was Schlechtes sein, aber hier passt für mich das eigentliche Ende auch nicht, irgendwie zu glatt, zu hergezogen, zu konstruiert.

Now all they had to do was walk, and see how far they could get.

 

Dichtung versus Realität – ist alles nur Klischee?

Jetzt bin ich natürlich gleich mal geneigt, einen Roman und vor allem eine Film eben gleich als erfundene Geschichten und vielleicht auch als nicht der Realität entsprechend zu betrachten. Auch in den Kritiken habe ich immer wieder gelesen, dass in diesem Buch viele Klischees wie etwa alt-jung, schwarz-weiß bedient werden und zu viel Konstruiertes in der Handlung vorherrscht.

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Doch immer wieder gibt es Überraschungen, immer wieder unerwartete Ereignisse, die uns zwar nicht direkt betreffen, aber uns doch zum Nachdenken anregen.

So war es auch vor einigen Wochen, als ich eine nette ehemalige Kollegin getroffen habe – voller Vorfreude auf ein paar gemütliche Stunden traf ich nachmittags bei ihr ein. Nach einem kurzen Smalltalk kam sie auf den eigentlichen Grund des Treffens zu sprechen, sie überbrachte mir die Neuigkeiten und klärte mich über ihre geplanten Veränderungen in ihrem Leben auf: sie wird ihren Mann verlassen und in eine eigene Wohnung  ziehen. Aha, warum das? Was war geschehen?

Meine ehemalige Kollegin hat auf einem Internetportal einen 35 Jahre jüngeren Mann kennen und lieben gelernt und will mit ihm ein „neues“ Leben beginnen. Ich denke mal, mir war zuerst gleich mal Erstaunen und Verwirrung ins Gesicht geschrieben. Doch nicht in der quasi Vorzeigefamilie mit zwei erwachsenen Kindern und Enkelkindern. Aber der Altersunterschied ist hier nicht die einzige Parallele zum vorliegenden Roman – es handelt sich bei ihrem Partner auch um einen Mann mit anderer Hautfarbe und einem vollkommen anderen Bildungsstand und anderen Interessen. Da soll jetzt noch mal einer sagen, dass so fast unglaubliche und unerwartete Geschichten nicht auch das reale Leben selbst schreibt.

Jedenfalls ist das zumindest nach außen hin bisher perfekte Leben dieser Familie zerstört und ein richtiger Rosenkrieg hat begonnen.

 

Das Ende der Geschichte um Lucy und Joseph ist mir mittlerweile bekannt, auf den weiteren Verlauf des Lebens meiner ehemaligen Kollegin darf ich noch gespannt sind, wie sich dies weiterhin gestaltet und in den nächsten Jahren entwickelt.

Daher jetzt meine Frage an dich: hast du auch einmal ein Buch gelesen, das für dich eben eine erfundene Geschichte gewesen ist, vielleicht auch manchmal ein bisschen realitätsfern und dann triffst du in deinem Leben, in deiner unmittelbaren Umgebung eben auf eine ähnliche Handlung? Hast du auch schon so fast direkte Parallelen zwischen einem Buch und der Realität feststellen können? Liest du ansonsten auch immer mal wieder fremdsprachige Bücher oder bevorzugst du eher die deutsche Sprache?
Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf deine Erfahrungen.