Gedankenplauderei

Alles ist gut! – Oder etwa doch nicht?

Weingarten-Wonderfulfifty

Gestern Abend hatte ich ein längeres Gespräch mit einer Verwandten – grundsätzlich ist es um eine Einladung gegangen, aber im Laufe des Telefonats hat sich die ziemlich einseitige Konversation in eine sehr negative Richtung verlagert. Wenn ich dann das Gesprächsthema gewechselt und ihren schönen Garten erwähnt habe, dann wurde von ihr nur der Arbeitsaufwand beredet. Wir sprechen über die Arbeit – sie muss die meisten Stunden arbeiten und alle Zusatzarbeiten bleiben an ihr hängen. Wir sprechen über die Familie – keiner achtet, was sie alles an Organisationsarbeiten leistet, keiner würdigt ihre Leistungen entsprechend. Wir sprechen über die Freizeit – sie muss sich immer nach den Wünschen und Bedürfnissen der anderen richten.

Manche Menschen haben einfach die Gabe, nur das Negative zu sehen – sie fühlen sich ständig benachteiligt, sie haben den Eindruck, dass sich alles und jeder gegen sie verschworen hat. Wenn auf Schönes und Positives hingewiesen wird, dann wird dennoch auch daran gleich wieder etwas Beklagenswertes gefunden. Ja, bei solchen Gesprächen bleibt schließlich diese unbefriedigende, auch etwas niedergeschlagene Gefühl zurück. Wo ist meine gute Laune hin? Was ist mit meiner positiven Stimmung passiert?

 

Gut und schlecht

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Doch es geht auch anders: Kennt ihr dieses Gefühl, das ihr nach einem Treffen mit einem lieben Menschen habt, dass ihr so richtig glücklich und zufrieden, innerlich ausgeglichen seid – um es vielleicht so auszudrücken, als wenn unser Innersten in den schönsten Tönen erklingt und unsere Seele lauter harmonische Schwingungen aussendet. Wenn das in manchen Ohren jetzt auch etwas kitschig klingen mag, doch so habe ich mich unlängst erst gefühlt.

Es sind diese Menschen, die etwas Alltägliches in etwas Besonderes verwandeln, nicht indem sie etwas Großartiges machen, sondern die einfach nur durch ihre Anwesenheit das Leben schöner machen, die einfach eine schöne Stimmung und Wohlgefühl erzeugen und wo jedes Beisammensein einfach wunderbare Erinnerungsmomente bringt.

Was macht diese Menschen aus? Wie sind diese Menschen? Jetzt würde natürlich nahe liegen, dass diese Menschen im Gegensatz eben nur über schöne Dinge reden, nur Positives erwähnen und das Leben auf die angenehmen Seiten beschränken. Doch das ist es nicht, es werden sehr wohl auch Herausforderungen angesprochen, es wird über unschöne Erlebnisse berichtet. Diese Menschen reden dabei nicht alles schön oder negieren Probleme – nein, das wird sehr wohl thematisiert, aber es gibt eben einen Unterschied, auf welche Art das gemacht wird, ob mit dem Gedanken „Ich bin so arm, allen anderen sind so gemein“ oder „Wie kann ich vorgehen, was kann ich besser machen?“ an die Sache herangegangen wird.

 

Bad Vibes

Ähnlich wie mit dem Telefonat ist es mir unlängst auch mit einem Buch ergangen – ich bin eher der konsequente Leser: wenn ich ein Buch beginne, dann wird es bis zum Ende gelesen, auch wenn ich zwischendurch immer mal wieder Probleme mit der Handlung oder der Schreibweise und dadurch einen richtigen Durchhänger habe. Im Hinterkopf ist meistens der Gedanke: Vielleicht wird es besser und interessanter, vielleicht kommen noch die wesentlichen und spannenden Punkte.

Doch bei diesem Buch war es nach zwanzig Seiten mit meiner Geduld zu Ende – die Protagonistin versinkt immer mehr in ihrem Weltschmerz, alltägliche Themen werden im wahrsten Sinne des Wortes hochdramatisiert und es wird nur über dies und jenes geklagt. Es wird dabei eine sehr negative und depressive Stimmung vermittelt. Wenn ich ein Buch lese, dann möchte ich entweder unterhalten werden oder eine spannende Geschichte erleben, Neues erfahren, interessante Erkenntnisse gewinnen, aber nicht mit unzufriedenen und angestrengten Jammereien konfrontiert werden.

Denn wenn du dann in der Sonne liegst, das Wasser plätschert neben dir, der Duft der Blumen strömt dir in der Nase und du liest dieses Buch – das ist dann, wie wenn jemand neben dir ständig von eventuell mal auftauchenden Regenwolken am blauen Himmel spricht, wenn er mit fünf Regenschirmen und zehn Regenjacken ausgestattet neben dir sitzt und mit einem Hammer auf deine gute Laune und dein Wohlgefühl einschlägt….Das will ich nicht und das brauche ich nicht.

 

Good Vibes only

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Also doch alles positiv darstellen? Dann gibt es natürlich auch noch die sozialen Medien, wo wir die schönen Urlaubsbilder sehen, die verliebten Menschen, die leckeren Speisen, die harmonischen Abende, die wunderbaren Feste, die glücklichen Freundinnen, die zufriedenen Paare. Hier wird dann vielfach das absolute Gegenteil dargestellt – da gibt nur die schönen Seiten des Lebens, es gibt keine Sorgen weder in beruflicher Hinsicht noch in finanzieller, es läuft alles rund in der Beziehung, in der Familie, im Freundeskreis, im gesamten Universum. Jeder ist happy-peppy und wer nicht glücklich ist, ist selber schuld.

Natürlich sind diese Plattformen meist nicht für tiefgreifende Probleme geschaffen und es ist wohl auch nicht der Sinn der Sache hier alle möglichen Missstände breit zu treten. Ich denke, jeder sollte mittlerweile wissen, dass hier wohl eher die positiven Seiten in einer geschönten und gefilterten Form dargestellt werden, dass Unschönes überspielt wird, dass so Manches eben auch schöngeredet wird.

Das ist meines Erachtens auch in Ordnung – es darf nur nicht als Realität in das Bewusstsein der Menschen eindringen, sondern es muss uns klar sein, dass wir hier eine geschönte Welt sehen und uns an den Bildern erfreuen dürfen. Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass diese Menschen immer auf einer positiven Welle durch ihren Alltag schweben, dass sie nur Angenehmes erleben. Doch es kann durch diese positiven Eindrücke natürlich der Druck entstehen, dass alles schön und toll sein muss und damit landen wir bei toxic positivity, einem Begriff, der mittlerweile auch immer mal wieder auftaucht.

 

Nicht schwarz, nicht weiß, sondern grau?

Jetzt ist also positives Denken doch schlecht oder wie? Es geht dabei meines Erachtens nicht darum, alles schönzureden und Fehler positiv zu beschreiben. Es geht nicht darum die Augen vor Problemen zu verschließen und Missstände zu negieren. Es geht nicht darum, alles in einem wunderbaren Licht erscheinen zu lassen und auf allfällige Situationen einfach mit Plattitüden zu reagieren. Denn dann wäre der Optimismus wirklich kontraproduktiv.

Durch die positive Einstellung soll nicht der Zwang entstehen, dass wir alles mit Freude annehmen müssen und dass in allem etwas Positiven zu finden ist oder in etwas Annehmbares umgewandelt werden kann. Es gibt eben auch Situationen in unserem Leben, an denen eben nichts Gutes zu finden ist und irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen und unrealistischen Argumenten helfen dann sowieso keinem. Aber trotzdem können wir entscheiden, wie wir darauf reagieren, welche Handlungen wir setzen anstatt nur zu raunzen und zu sudern. Das gelingt natürlich nicht immer und auch das ist normal und nicht als schlecht zu werten. Manchmal brauchen wir vielleicht auch eine Phase für Selbstmitleid, bis wir uns wieder gefangen haben – das gehört ebenfalls zu unserem Leben und einer positiven Einstellung, denn für mich beinhaltet diese, Probleme realistisch zu sehen und danach eben zu versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

 

Something good will happen

So wird doch gerne mal das Argument gebracht, dass sich zu viel Optimismus – falls das überhaupt möglich ist – negativ auf das Risikoverhalten der Menschen auswirkt. Sie flattern anscheinend dann mit einer „Es wird schon alles gutgehen“-Mentalität durchs Leben und übersehen mögliche Gefahren, weil sie sowieso mit einem positiven Ausgang rechnen und deshalb keine eventuellen Risiken bedenken oder berücksichtigen.

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Meines Erachtens hat jedoch eine positive Grundeinstellung nichts mit Naivität und Oberflächlichkeit zu tun. Es ist ja nicht so, dass bei Optimismus die Probleme und Herausforderungen nicht gesehen werden, sondern es ist vielmehr so, dass hier eben verstärkt nach Lösungen gesucht wird. Es wird sehr wohl die Realität gesehen und nicht mit einer rosaroten Brille durch die Gegend gelaufen.

Um dies gleich mal an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wir haben eine Verhandlung – gehen wir da mit dem Gedanken „Das wird schon gutgehen“ hin, hoffen wir auf die Unterstützung von Oben, vom Universum oder wem auch immer? Nein, auch wenn wir positiv an die Aufgabe herangehen, gehört es doch für uns dazu, dass wir uns überlegen, welche Forderungen gestellt werden können, welche Argumente wir bieten können, welche Unterlagen wir zur Unterstützung vorlegen können und last but not least in welchem Outfit wir uns sicher fühlen und ein selbstbewusstes Auftreten haben. So gehen wir auf jeden Fall mit mehr Zuversicht in die Verhandlungen, als wenn wir nur von den negativen und schlechten Gedanken beherrschen lassen und diese mit ins Gespräch nehmen.

 

Be positive!

Für mich ist also sehr wohl ein Unterschied zwischen einer positiven Lebenseinstellung und einer Schönfärberei und wir können auch selbst etwas zu einer motivierenden Grundeinstellung beitragen, wir können in einer Situation das Positive suchen oder eben daraus lernen und die Erfahrung für die Zukunft mitnehmen. Wir können dabei auch versuchen, unsere Gedanken bewusst etwas zu lenken, von den nur negativen Eindrücken weg, sodass sie nicht überhand nehmen.

Ich weiß, manchmal will man sich in seinem Selbstmitleid und in seinen Seelenschmerz suhlen und auf keinen Fall diese Allerweltsplattitüden wie „Nach jedem Regen kommt auch wieder Sonnenschein“ hören. Es ist eben auch in Ordnung, sich mal nicht in Ordnung zu fühlen und es gibt eben auch Herausforderungen, für die es keine Lösung gibt, und es gibt eben Dinge in unserem Leben, die wir nicht schaffen und die uns nicht gelingen.

Wir können einen Vortrag in den Sand setzen, wir können unseren neuen Pullover mit einem Fleck „verzieren“, wir können unseren Lieblingsstift verlegen. Aber daraus gleich auf die Zukunft zu schließen nach dem Motto „Bei mir geht sowieso alles schief!“ ist trotzdem kontraproduktiv und hier zeigt sich doch auch wieder die generelle Grundeinstellung. Es kann ja auch lauten „Blöd, wie das heute gelaufen ist, was könnte ich beim nächsten Projekt besser machen?“. Hier können wir uns etwa auch wieder die Kinder zum Vorbild nehmen. Habt ihr schon mal so ein kleines Wesen beobachtet, wenn es die ersten Schritte macht – wie oft es sich auf das Hinterteil setzt, dann wieder mühevoll aufkommt und gleich zur nächsten Landung ansetzt, bis es des Dreh heraushat und die ersten wackeligen Tapser schafft.

 

Ja und zum Abschluss gibt es noch eine Anregung – der Sommer hat uns vielfach nicht den Sonnenschein und die lauen Nächte, das strahlende Wetter und die warmen Temperaturen gebracht. So sehr ich als absoluter Sommermensch hoffe, dass uns trotzdem noch ein paar sommerliche August- oder auch gerne Septembertage erwarten, haben wir keinen Einfluss darauf und können nur entsprechend reagieren. Daher heißt das für mich in diesem Fall: Ich kann den Regen nicht kontrollieren, aber ich kann ihm mit einem aufgespannten Regenschirm entgegentreten.

Wie ist das bei dir – kennst du auch so nervtötende Menschen, die alles schlechtreden? Können Bücher, Filme oder auch die sozialen Medien deine Stimmung positiv oder negativ beeinflussen? Ja und ganz aktuell – was sagst du zu unserem Sommerwetter? Ich freue mich auf deine Meinung.