Gedankenplauderei

I trust you – kann ich dir vertrauen?

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Der September ist bei uns der Monat, der voller Feierlichkeiten steckt, wo sehr viele Tage mit Feiern, mit einem gemütlichen Beisammensein und mit wunderbaren Momenten verbracht werden. Aber heuer war auch im Sommer ein besonderer Tag und darauf will ich jetzt nochmals kurz zurückblicken.

Ein wunderbarer Sommertag in einer idyllischen Kartause im Alpenvorland – der richtige Tag und der richtige Ort für einen besonderen Anlass und wir dürfen dabei sein und dürfen miterleben, wie meine Freundin ihrem langjährigen Partner das Ja-Wort gibt. Ja, mit vielen anderen Gästen dürfen wir diesem Ereignis beiwohnen, zuerst finden wir uns bei strahlendem Sonnenschein im lauschigen Innenhof ein, dann geht es zum feierlichen Akt ins Gebäudeinnere in das

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beeindruckende Standesamt mit Deckenfresken und wunderbaren Gemälden, den Abschluss bildet schließlich der gemütliche Teil im prunkvollen Prälatensaal. Eine strahlende Braut, ein strahlender Bräutigam stehen vor dem Standesbeamten und haben dabei wunderschöne Ehegelübde vorbereitet: „Ich will dir immer vertrauen und dein Vertrauen nie enttäuschen.“

 

Ja, was für wunderbare und doch wichtige und grundlegende Worte, die wir da zu hören bekommen. Diese prägen sich auch gleich mal direkt ein und begleiten uns anschließend durch die gesamte Feier. Ja siehe da, sie finden sich sogar in der Dekoration wieder.

Das Vertrauen kennzeichnet dabei das Verhältnis dieser beiden Menschen zueinander – die Ehe braucht eine stabile Basis, eine feste Grundlage, auf der sie gebaut ist. Aber Vertrauen ist doch auch generell ein wesentlicher Grundstein in den zwischenmenschlichen Beziehungen, egal ob es sich jetzt um den Partner handelt, um die Familie, um Freunde oder auch um andere Menschen handelt, denen wir im Leben begegnen oder mit denen wir vielleicht auch nur zufällig in irgendeiner Form zu tun haben.

Die größte Ehre, die man einem Menschen antun kann, ist die, dass man zu ihm Vertrauen hat. (Matthias Claudius)

Bevor ich jetzt aber noch weiter in dieses Thema eintauche, will ich doch mal kurz schauen, was Wikipedia dazu zu sagen hat: Vertrauen bezeichnet die subjektive Überzeugung von der Richtigkeit, Wahrheit von Handlungen, Einsichten und Aussagen bzw. der Redlichkeit von Personen. Als das Gegenteil des Vertrauens gilt das Misstrauen.

Im Alltag treffen wir doch ständig auf Begebenheiten und auf Situationen, in denen Vertrauen erforderlich ist, ohne dass es uns doch dabei explizit bewusst wird – ja unser täglicher Ablauf funktioniert doch eigentlich nur, wenn wir anderen Menschen zumindest ein gewisses Grundvertrauen entgegenbringen:

  • Wir vertrauen darauf, dass wir bei einer grünen Ampel die Straße problemlos queren können und die anderen uns nicht dabei gefährden.
  • Wir vertrauen darauf, dass die Bahn nach dem angeführten Fahrplan fährt und wir rechtzeitig zur Arbeit kommen.
  • Wir vertrauen darauf, dass die Brücke stabil gebaut ist und wir sie gefahrlos betreten können, ohne dass sie einstürzt.
  • Wir vertrauen darauf, dass unser Bankensystem funktioniert und wir mit unserer Debitkarte bezahlen können.
  • Wir vertrauen darauf, dass der Online-Dienst funktioniert und wir die Mails verschicken können.
  • Wir vertrauen darauf, dass wir den Schalter betätigen können und dann das Licht den Raum erhellt.
  • Wir vertrauen darauf, dass uns der Verkäufer korrekt berät.
  • Wir vertrauen darauf, dass unser Kollege die Unterlagen rechtzeitig für die Präsentation fertigstellt.
  • Wir vertrauen darauf, dass unser Partner zu uns steht und uns nicht hintergeht.
  • Die Tänzerin vertraut darauf, dass ihr Tanzpartner sie im richtigen Moment auffängt.
  • Der Unternehmer vertraut darauf, dass seine Kunden die Rechnungen begleichen.
  • Der Kunde vertraut darauf, dass der Handwerker die Arbeit ordentlich ausführt.

 

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Kindern ist dabei doch meist noch dieses sogenannte Urvertrauen zu eigen und es ist dabei auch wirklich schön, ihre Unbekümmertheit, dieses intuitive Vertrauen in ihre Umwelt zu sehen. Sie vertrauen ohne Wenn und Aber einfach darauf, dass die Eltern sofort angelaufen kommen, wenn sich in der Nacht das Monster unter dem Bett wieder mal bemerkbar macht. Sie vertrauen darauf, dass sie ein warmes Zuhause und genug zu essen haben und natürlich, dass für ihre Spielsachen gesorgt ist.

Besonders bewusst ist mir das geworden, als wir einmal mit einem kleinen Kind das Freibad besucht haben. Platsch – obwohl die Schwimmkünste noch sehr eingeschränkt, gibt es doch gleich mal einen Sprung ins kühle Nass. Kein Gedanke – ich könnte unter Wasser bleiben, kein Gedanke – ich kann nicht an den Beckenrand schwimmen, kein Gedanke – es könnte mir etwas Unangenehmes oder vielleicht auch Schlimmes zustoßen. Rein ins Wasser ohne weitere Überlegungen – stark im Vertrauen darauf, irgendjemand wird schon eingreifen, wenn es nicht so glatt läuft.

 

Wie bildet sich Vertrauen?

Vertrauen ist etwas Wunderbares, etwas, das unser Leben doch ungemein bereichert. Wie schön ist doch, wenn wir jemandem so richtig vertrauen können. Aber dazu ist doch eine gewisse „Vorarbeit“ erforderlich, denn Vertrauen ist schließlich nicht einfach da – ja sicherlich gibt es Menschen, denen wir intuitiv vertrauen, die quasi mit uns auf der gleichen Wellenlänge schwingen und mit denen es einfach passt – aber meistens dauert es, bis wir wirklich etwas Zutrauen fassen.

Es muss sich erst erweisen, wie verlässlich eine Person ist, wie sie mit Versprechen und Absprachen umgeht, wie genau sie es mit der Ehrlichkeit und der Aufrichtigkeit nimmt, wie sie mit den Bedürfnissen und Vorstellungen anderer umgeht.

Vertrauen bekommt man nicht geschenkt, man muss es sich verdienen.

Jedoch gelingt es sicher nicht, mit Druck und Zwang Vertrauen zu bilden. Wenn mich jemand mit Worten „Du kannst mir vertrauen“, „Du musst dich auf mich verlassen“, „Vertraust du mir denn nicht?“ zu überzeugen versucht, dann klingeln bei mir gleich mal alle Alarmglocken. Ja, solche Menschen geben sich dann gerne mal enttäuscht oder beleidigt, weil ich ihnen mein Vertrauen nicht sofort schenke. Es kann für mich in dieser Form nicht funktionieren – Vertrauen muss sich entwickeln und kann nicht verlangt werden.

 

Trau schau wem

Mit diesem allgemein bekannten Satz wird doch ausgedrückt, dass wir immer genau prüfen sollen, wem wir unser Vertrauen entgegenbringen, wem wir Glauben schenken. Wenn wir dabei kurz einen Blick in die Märchenwelt werfen, gibt es hier in diesem Zusammenhang doch auch das Schneewittchen, das in ihrem blinden Vertrauen in die Menschen – in diesem Fall im Vertrauen in die böse Stiefmutter – den vergifteten Apfel gegessen hat. Es wäre kein Märchen, wenn nicht letzten Endes der Prinz auf seinem weißen Pferd angaloppiert käme und die schöne Prinzessin retten würde. Doch in unserem Leben taucht nicht immer so ein Retter in der richtigen Minute auf, wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir von anderen aus einer Situation gerettet werden.

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Daher vielleicht doch vorher einen genaueren Blick auf eine Person werfen, ehe wir ihr vertrauen, ehe wir ihr etwas anvertrauen, ehe wir uns auf sie einlassen:
Trauen wir dem Online-Shop, das zwar tolle Produkte und ansprechende Preise, aber kein Impressum aufweist?
Trauen wir dem Verkäufer, der einen Artikel als die ultimative Lösung für ein Anliegen anpreist, aber keine genauen Details angeben kann?

Ich denke, sowohl im alltäglichen Leben als auch vor allem in den Online-Aktivitäten ist in bestimmten Fällen doch ein bisschen Überlegung sinnvoll. Oft kennen wir das Gegenüber dabei gar nicht, oft wissen wir gar nicht, wer jetzt wirklich genau hinter einem Account steckt.

 

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Ja, heute bemühe ich ein Sprichwort oder Zitat nach dem anderen – doch sehen wir es einfach so, Vertrauen ist etwas Grundlegendes in unserem Leben und daher von vielen bereits behandelt und betrachtet worden. Dieser Spruch wird meist Lenin zugeschrieben – es ist zwar nicht wirklich erwiesen, ob er von ihm stammt, aber das tut bei uns jetzt auch nichts wirklich zur Sache. Denn um jetzt noch schnell die Überleitung zu finden – blindes Vertrauen ist manchmal schön, aber natürlich in vielen Fällen nicht optimal, teilweise kann es sogar zur Gefahr werden und uns schaden.

Ist es daher wirklich besser, alles zu kontrollieren? Sollen wir nicht mehr vertrauen, sondern immer überprüfen und nachsehen? Sollen wir uns nur auf das verlassen, was wir selbst kontrolliert und einer Prüfung unterzogen haben? Und last but not least haben wir denn überhaupt die Möglichkeit, immer zu kontrollieren und nachzuforschen?

  • Wir steigen in die U-Bahn ein und gehen davon aus, dass diese problemlos funktioniert, dass die Bremsen nicht versagen, dass der U-Bahnfahrer die entsprechende Qualifikation und körperliche Verfassung hat.
  • Wir gehen in ein Geschäft und verlassen uns darauf, dass die Waage korrekt geeicht ist, dass die Produkte korrekt gekennzeichnet sind, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum richtig angegeben ist.
  • Wir gehen zum Arzt und vertrauen darauf, dass er uns die bestmögliche Behandlung für unser Anliegen verschreibt.

Oder habt ihr euch in dieser Situation schon mal all diese Fragen gestellt. Abgesehen davon haben wir ja hier auch gar nicht die Möglichkeit, alle möglichen Fehlerquellen zu überprüfen. Eine gewisse Skepsis, ein bisschen Hinterfragen und Überlegen ist sicherlich manchmal angebracht, doch wir müssen uns in bestimmten Bereichen einfach auf andere verlassen, auf sie vertrauen, ohne dass wir wirklich eine Kontrolle durchführen können.

 

Wenn das Vertrauen gestört wurde

Ich denke, es wird jedem schon einmal passiert sein, dass er von einem anderen Menschen enttäuscht worden ist. Wir haben uns auf eine Person verlassen – dies kann der Partner, die Eltern, die Freunde, die Kollegen, der Vorgesetzte, aber auch der Verkäufer, der Handwerker oder wer auch immer sein – doch ihr Verhalten hat so gar nicht unseren Vorstellungen und Erwartungen entsprochen.

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Sei es, indem sie eine Zusage nicht eingehalten hat. Sei es, indem sie Inhalte eines vertraulichen Gesprächs weitererzählt hat. Sei es, indem sie auf einen Fehler nicht rechtzeitig hingewiesen hat. Sei es, indem sie wichtige Nachrichten verschwiegen hat. Sei es, indem sie Unwahrheiten verbreitet hat. Sei es, dass dies im direkten Kontakt und unmittelbar mit den Menschen erfolgt ist, sei es aber auch online, indem wir mit diesen Menschen kommunizieren, indem wir Online-Shops besuchen.

Unser Vertrauen kann dabei auf verschiedene Arten und von unterschiedlichen Menschen missbraucht werden, das kann sich auf kleine Dinge, scheinbare Nebensächlichkeiten beziehen, aber auch auf wirklich wichtige Punkte, einschneidende Angelegenheiten. Vertrauensmissbrauch wirkt sich auf die Menschen sicher auch unterschiedlich aus. Manche Menschen sind sicher eher in sich gefestigt und verlieren nicht so sehr das Selbstwertgefühl, andere sind ohnehin eher unsicher und eine solche Situation zerstört ihr bisschen Selbstvertrauen total. Aber auch die bisherigen Erfahrungen spielen hier eine große Rolle: wenn Menschen schön öfters enttäuscht worden sind, dann wird es immer schwieriger, das Vertrauen wiederherzustellen.

 

In solchen Momenten stellt sich dann sicherlich die Frage: Wie kann ich diesem Menschen wieder vertrauen, wie kann ich überhaupt Menschen in dieser Situation wieder vertrauen? Vertrauen ist sehr filigran und zerbrechlich, auch wenn es in vielen Jahren intensiv aufgebaut worden ist. Ich denke, es ist mit einer glatten Fläche vergleichbar – wenn durch einen Missbrauch unseres Vertrauens ein Kratzer in diese schöne Platte kommt, dann kann dieser zwar auspoliert werden, aber sie wird wahrscheinlich nie wieder so perfekt sein wie zuvor. Auch wenn oberflächlich wieder alles behoben scheint, so wissen wir doch, dass sich hier eine beschädigte Stelle darunter befindet, dass hier ein unschöner Kratzer vorhanden war.

Die Erinnerung daran lässt sich dann sicher nicht so leicht löschen und wird uns in unserem weiteren Leben immer mal wieder beeinflussen. Denn irgendwie prägt sich diese Situation doch bei uns ein und wenn wir wieder einmal eine ähnliche Begebenheit haben, dann kommt auch schon die Stimme aus dem Hintergrund: Da stimmt etwas nicht. Sei auf der Hut. Denk an das letzte Mal. Lass dich nicht wieder täuschen. Sei lieber vorsichtig, auch wenn es sich gut anhört. Sei nicht vertrauensselig und lass dich nicht einlullen. Du wirst wieder enttäuscht und ausgenutzt werden. Mach den gleichen Fehler nicht noch einmal.

Dabei muss es sich in diesem Fall auch gar nicht um die gleiche Person handeln, um den gleichen Ort oder eine sonstige Gleichheit – irgendetwas an der Gesamtbegebenheit erinnert uns an die Enttäuschung und wir werden eher misstrauisch reagieren und fahren unseren Schutzpanzer hoch. Es ist dann natürlich schade, wenn wir uns durch dieses Gefühl zu sehr hemmen lassen und vielleicht eine schöne Begebenheit verpassen, wenn unsere Skepsis schlussendlich dazu führt, dass wir jemanden oder etwas von vorneherein gleich mal ablehnen.

 

Weder blindes Vertrauen noch ständige Kontrolle kann in unserem Leben eigentlich wirklich funktionieren. Wir müssen anderen vertrauen, wir müssen uns auf andere verlassen können, wir müssen auf deren Handlungen, auf deren Ehrlichkeit setzen – ohne ein gewisses Grundvertrauen funktioniert unser Leben und das zwischenmenschliche Gefüge nicht. Dabei dürfen wir aber die Augen nicht komplett verschließen.

Es gibt sie leider immer wieder diese schwarzen Schafe und sie sind wirklich meist sehr gut getarnt, so – um wieder einmal auf ein Märchen zurückzugreifen – wie der Wolf die Kreide gegessen hat und dann mit der lieblichen Stimme die sieben Geißlein getäuscht hat. Daher ist trotz allem Vertrauen auch immer etwas gesundes Misstrauen angebracht, das uns zumindest meistens davor bewahrt, hintergangen oder ausgetrickst zu werden.

 

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So, nach einer Traumhochzeit, etlichen Zitaten und kurzen Ausflügen in die Märchenwelt ist diese etwas schwere Kost zu Ende. Wer sich aufgrund der Einleitung einen lockeren und leichten Beitrag erwartet hat, ist leider enttäuscht worden. Es ist so gelaufen wie immer mal wieder im Leben – es hat sich anders herausgestellt, als wir es geplant und uns vorgestellt haben. Doch jetzt bist du am Zug und ich bin schon gespannt, wie deine Ansichten und Erfahrungen sind, und freue mich sehr auf deine Meinung.