Gedankenplauderei

Oh – wie peinlich!

Peinlich-Wonderfulfifty

Mein Kopf läuft knallrot an – eine vollreife Tomate ist blasses Röschen dagegen, das Herz schlägt bis zum Hals, meine Nerven sind auf das Äußerste gespannt und ich spüre, wie meine Hände anfangen zu schwitzen und feucht werden. So ein Schmarrn aber auch – wo ist denn bloß das Loch im Boden, wenn ich es mal brauche. Das ist doch prinzipiell auch nur dann da, wenn es mich zum Stolpern bringen will! Aber jetzt, wo ich mich über sein Erscheinen freuen würde, ja wo ich Begeisterung für so eine Öffnung im Erdboden hätte, ist weit und breit nichts davon da. Nicht einmal ein kleiner Teppich, um mich darunter zu verkriechen.

Den Kopf einziehen und klein machen hilft nicht – es ist passiert: ich habe es gesagt und kann die Worte nicht mehr zurücknehmen. Sie sind schon bei meinen Gesprächspartnern angekommen, an ihren Mienen und der „lauten Stille“ kann ich ihr Verwundern deutlich erkennen. Ich kann nicht glauben, dass mir das jetzt so herausgerutscht ist, dass ich einfach ohne Nachzudenken das gesagt habe. Oh mein Gott – wie peinlich.

 

Peinliche Situationen

Ohne jetzt genau den Auslöser dafür zu kennen, wisst ihr sicherlich sofort, von welchem Gefühl ich hier rede. Keiner von uns ist hin und wieder gegen eine Peinlichkeit gefeit, jeden kann sie ganz unerwartet aus dem Hinterhalt mit der Keule treffen. So gibt es viele kleine und größere Ereignisse im Alltag, die geradezu prädestiniert für Peinlichkeiten sind – so kann dies Äußerlichkeiten an uns selbst betreffen wie etwa Zahnpasta im Gesicht, ein Kaffeefleck auf der Bluse, ein kleiner Riss in der Hose oder auch Petersilie zwischen den Zähnen.

Aber nicht nur diese Tatsachen können unangenehm sein, sondern auch unsere Handlungen führen immer mal zu peinlichen Momenten: jemand stößt sich und verschüttet ein Glas Rotwein, jemand stolpert die Stiege hinunter, jemand rutscht aus und landet unsanft auf dem Hosenboden, jemand tritt in eine Wasserpfütze.

 

Peinlich-Wonderfulfifty

Weitere Peinlichkeiten entstehen schließlich im Kontakt mit anderen Menschen, da wird irrtümlich der entrüstete Vater für den Großvater des Kindes gehalten, da wird die Mutter für die Schwester gehalten, da wird die Freundin für die Mutter des Burschen gehalten.

Da beschwert sich jemand über den Kollegen und der steht plötzlich in der Tür, da verschickt jemand eine sehr private Nachricht fälschlicherweise an die falsche Person und ein Supergau ist natürlich, wenn uns der Name des Gesprächspartners partout nicht mehr einfällt oder wir ihn vielleicht gar noch mit einem falschen Namen anreden – denn wie wir wissen, ist einerseits vielen Menschen der eigene Name „heilig“ und andererseits zeigt es dem anderen gegenüber Respekt , wenn wir seinen Namen kennen und natürlich auch korrekt aussprechen.

 

Peinliche Situationen durch andere

Doch peinlich sind uns nicht nur Situationen, die uns selbst betreffen, sondern auch solche, die von anderen Menschen verursacht werden, wie ich es erst erleben durfte.

Ich saß nämlich unlängst in einem Wartezimmer mit mehreren Menschen, darunter auch eine Mutter mit einem kleinen Mädchen. Plötzlich zeigt das Mädchen auf einen übergewichtigen Mann ihr gegenüber und verkündet: „Mama, der Mann ist fett.“ – Die Mutter reagiert auf die Aussage des Kindes nicht, da kommt schon die nächste Mitteilung des Kindes, diesmal mit lauterer Stimme „Mama, schau doch mal, der Mann ist total fett“. Für alle ist ersichtlich, dass dies der Mutter unangenehm ist und sie bedeutet dem Mädchen still zu sein. Das Kind will aber seine Erkenntnis anscheinend unbedingt der Mutter mitteilen und versucht es nochmals „Mama, sieht doch mal hin, dieser Mann dort ist fett“.

Der Mutter ist diese Situation peinlich, obwohl sie selbst nicht der Auslöser ist und nichts dazu beigetragen hat – sie schämt sich für das unbedarfte Verhalten ihrer Tochter.

 

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Andersrum gibt es natürlich auch wieder Ereignisse im Leben der Kinder, meist vor allem in der Selbstfindungsphase im Teenageralter, wo die Eltern als peinlich empfunden werden – wenn die Eltern sie neben den Freunden oder Kollegen mit ihren Kosenamen ansprechen, wenn sie Erzählungen aus der Kindheit zum Besten geben. Doch auch bei Paaren oder engen Freunden kommt es teilweise zum Fremdschämen – sie fühlen sich für einander verantwortlich und zusammengehörig und gehen daher davon aus, dass diese Peinlichkeit irgendwie aus sie beide zurückfällt.

Eine Peinlichkeit, egal aus welchem Anlass sie nun entstanden ist, ob sie durch eine Tatsache, durch unser Verhalten oder durch andere verursacht worden ist, löst in uns ein Gefühl des Unbehagens und der Verlegenheit aus – wir fühlen uns beschämt und vielleicht auch blamiert.

 

Wie reagieren wir auf Peinlichkeiten?

Wenn wir nun eine peinliche Situation erleben, sausen uns tausend Gedanken durch den Kopf. Neben der Frage nach dem Loch im Erdboden, in das wir jetzt gerne versinken wollen, suchen wir nach einem Ausweg, wie wir in diesem Moment die Kurve kratzen, wie wir das Missgeschick ohne größere Schäden lösen können, wie wir einfach aus der Angelegenheit so heil wie möglich wieder herauskommen.

Wenn wir dann schließlich aus unserer Schockstarre herausfinden, ist doch oft unsere erste Reaktion, dass wir nach einer Rechtfertigung suchen, warum diese peinliche Situation überhaupt entstehen konnte, und wollen damit eventuell die Verantwortung dafür weiterschieben oder abgeben:

  • Ich hatte heute morgen so viel Stress, dass ich keine Spiegelkontrolle gemacht und somit die Zahnpasta übersehen habe. Immer diese Hektik in der Früh!
  • Es ist eine Flasche neben meinem Weinglas gestanden, sodass ich mich daran gestoßen und den Rotwein verschüttet habe. Wer hat denn eigentlich die Flasche dorthin gestellt?
  • Die Mutter hat ein so jugendliches Aussehen, sodass ich sie für die Schwester des Kindes gehalten habe. Mit diesem Blümchenkleid sieht sie ja auch überhaupt nicht erwachsen aus.

Eine weitere Variante der Reaktion auf eine unangenehme Situation ist eine Entschuldigung, die dann auch meist noch mehrere Male in verschiedenen Varianten wiederholt wird:
Die Mutter entschuldigt sich bei dem dicken Mann für die Aussagen ihrer Tochter – das Mädchen meine natürlich eigentlich korpulent und stärker gebaut, aber keinesfalls fett.

Manche wiederum setzen nach einer Peinlichkeit zu einer umfangreichen Erklärung an:
Natürlich heißen Sie Dörflinger – ich kenne einen Dörfler, einen Dörler. Die Namen sind alle sehr ähnlich, alle beginnen mit „Dörf“………

Und schließlich gibt es auch noch jene, die über ihr Missgeschick total wütend und zornig sind, beleidigt reagieren und diesen Ärger dabei an ihren Mitmenschen auslassen:
Nach dem Stolpern über die Stiege, das zu Gelächter der Anwesenden geführt hat, wird ein mieses Gesicht aufgesetzt und die anderen werden mit ungehaltenen Worten angepflaumt.

 

Wie können wir die Peinlichkeit verringern?

Peinlichkeiten gehören zu unserem Leben und lauern immer wieder auf uns, natürlich vor allem, wenn wir mit anderen Menschen zu tun haben – so sehr wir auch versuchen, sie zu vermeiden, wir werden sie nie alle ganz eliminieren können, doch wir haben es in der Hand, wie wir selbst darauf reagieren.

Was passiert, wenn wir auf eine peinliche Situation mit Rechtfertigungen, Erklärungen, Entschuldigungen oder auch Beileidigtsein reagieren? Wie ist es, wenn über eine Sache immer wieder gesprochen und sie immer wieder von allen Seiten beleuchtet wird? Dann gewinnt diese Angelegenheit eine immer größere Bedeutung, durch das ständige Hinweisen wird die Aufmerksamkeit der Menschen regelrecht darauf hingelenkt. Eine kleine Lappalie, vielleicht eine kleine Blamage wird dabei aufgebauscht und erscheint bedeutend schlimmer und gravierender als sie es eigentlich ist und bleibt damit auch den anderen besser im Gedächtnis.

 

Peinlich-Wonderfulfifty

 

Natürlich ist es meist nicht einfach, in einer solchen Situation, wo wir vor Peinlichkeit am liebsten im Boden versinken wollen, ruhig und gelassen zu bleiben und einen klaren Kopf zu bewahren, der uns von vorschnellen und unüberlegten Aussagen abhält – doch der Versuch ist es wert. Gegebenenfalls eine kurze Entschuldigung anbringen und dann das Gespräch gleich in eine positive Richtung lenken wie etwa in dem Fall, wo der Vater irrtümlich für den Großvater gehalten wurde. „Oh – bitte entschuldigen Sie. Ihr Kleiner ist ein ganz sportlicher Junge. Hat er das von Ihnen?“ hilft hier vielleicht gleich mal etwas über diese angespannte Situation hinweg und lenkt das Interesse in andere Bahnen.

Es wird auf positive Seiten hingewiesen und das eigentliche Missgeschick gerät dadurch gleich mal in den Hintergrund. Wahrscheinlich wird uns diese Peinlichkeit in Zukunft trotzdem noch hin und wieder durch den Kopf gehen und wir überlegen, wie wir sie ganz vermeiden hätten können und spielen verschiedene Möglichkeiten gedanklich durch, aber den großen Schrecken haben wir ihr damit immerhin genommen und vielleicht können wir irgendwann einmal über unseren Fauxpas sogar lachen.

 

Wir können in manchen Fällen auch unseren Mitmenschen über eine für sie peinliche Situation hinweghelfen – wenn etwa unserer Bekannten unsere Kaffeetasse hinunterfällt und sich die vielen Splitter auf unserem Boden verteilen und wir auf ihr Missgeschick dann mit einem Satz wie „Scherben bringen Glück“ reagieren, dann ist die unangenehme Stimmung für sie zumindest teilweise gelöst. Oftmals überschätzen die Verursacher selbst nämlich die Bedeutung, die eine Situation für andere hat.

 

Ungewollte und gewollte Peinlichkeiten

Diese Peinlichkeiten sind für uns nicht absehbar und daher natürlich total ungewollt – wir fühlen uns dann immer unwohl und unbehaglich. Manche von diesen Missgeschicken können durch ein entsprechendes Verhalten im Vorfeld eventuell verhindert werden, so etwa die Situation, wenn sich jemand über den Kollegen beschwert und dieser dann plötzlich in der Tür steht. Dazu müssen wir uns vom Lästern und Tratschen einfach fernhalten.

Doch es gibt auch gewollte Peinlichkeiten und da wird es dann meist richtig peinlich für den Verursacher selbst, aber auch oftmals für die anderen. Dazu braucht es in vielen Fällen anscheinend nur eine Kamera in der Nähe und die Menschen führen die absonderlichsten Dinge durch, in Talk-Shows wird Privates und Intimes breitgetreten, aber auch in Casting-Shows stellen die Menschen oft ihr Nichtkönnen öffentlich dar und dabei ist ihnen nichts zu peinlich.

Haben diese Menschen kein Schamgefühl? Sind sie wirklich so einfältig oder naiv? Bekommen sie vielleicht eine Entschädigung dafür, dass sie sich praktisch live zum Affen machen oder machen lassen? Es ist schwer nachvollziehbar, dass sich manche wirklich bewusst und gewollt derartigen Peinlichkeiten aussetzen, aber wir haben zum Glück die Wahlmöglichlichkeit, ob wir uns Derartiges ansehen wollen oder nicht.

 

Peinlich-Wonderfulfifty

 

Peinliche Situationen kennt wahrscheinlich jeder und hat sie auch schon einmal erlebt und so ist diesen Peinlichkeiten sogar ein eigener Tag gewidmet – der 18. März wird als National Awkward Moments Day, als nationaler Tag der peinlichen Momente gefeiert.

Doch jetzt kann ich es schon gar nicht mehr erwarten, deine Ansichten zu diesem Thema zu erfahren:
Ist dir schon öfters etwas Peinliches passiert und ist dir eine Peinlichkeit besonders in Erinnerung? Wie gehst du generell mit einer peinlichen Situation um?
Vielleicht hast du ja auch die eine oder andere Peinlichkeit, über die du mittlerweile lachen kannst und an der du mich teilhaben lässt.