Gedankenplauderei

Was ist einer Anerkennung wert?

Park-Wonderfulfifty

Sommer, Sonnenschein und jetzt kommt wieder dieser Satz von mir „Habt ihr heute schon aus dem Fenster geschaut?“. Ja, ich kann es euch auch heute nicht ersparen, wenn die Sonnenstrahlen uns schon in der Früh an der Nase kitzeln und wir die warme Luft auf der Haut spüren, dann sprudeln diese Worte einfach aus mir heraus. Dieser strahlende Sonnenschein, dieses wunderbare Sommerwetter lassen doch bereits am Morgen die Glücksgefühle in ungeahnten Höhen schießen und wenn jetzt noch ein Stückchen Schokolade griffbereit liegt, dann ist der Tag schon perfekt.

 

Und dann das: in der U-Bahn-Station stehen wie jeden Tag um diese Tageszeit eine Menge griesgrämiger Menschen – warum schauen bloß die meisten in der Früh immer so missmutig drein, es kann doch nicht jeder schlecht geschlafen haben, es kann doch nicht jeder heute ein unangenehmes Projekt zu erledigen haben, es kann doch nicht jeder ein Morgenmuffel sein – aber der Grund tut jetzt eigentlich nichts zur Sache.

Wir stehen immer noch in der U-Bahn-Station und warten auf das Eintreffen der nächsten Bahn, da kommt plötzlich eine Durchsage durch den Lautsprecher „Aufgrund eines Unfalls kommt es zu einer zeitlichen Verzögerung“. Was ist passiert? – Es geht ein Raunen und teilweise ein Aufschrei durch die Menge der Wartenden, viele regen sich über die Situation auf und lassen ihrer Wut freien Lauf, schimpfen über die U-Bahn, andere überlegen sich inzwischen Alternativen, wie sie dennoch rasch zu ihrem geplanten Ziel kommen können.

Es gibt ein hektisches Hin- und Hergelaufe und die verschiedensten Ausrufe schwirren durch die Luft, doch der Grundtenor lautet „So eine Frechheit!“, „So eine Zumutung“. Ja, klar ist es natürlich unangenehm, wenn der eine den Arzttermin versäumt, wenn der andere zu spät zur Prüfung kommt, es ist ärgerlich, wenn ein weiterer den Anschlusszug verpasst, wenn eine beim Kursbeginn nicht rechtzeitig anwesend ist. Das braucht natürlich keiner, darauf kann jeder gerne verzichten. An dieser Situation lässt sich wirklich nicht viel Positives finden, sie ist zwar wahrscheinlich im Endeffekt auch nicht so schlimm, wie sie sich manchen im Moment darstellt, aber trotzdem leicht entbehrlich.

 

Park-Wonderfulfifty

 

In solchen Momenten will sicher auch keiner Worte hören wie, dass wir doch froh sein sollen, dass es uns gut geht, dass wir hier auf dem Bahnsteig stehen können, dass wir nicht in den Unfall verwickelt sind. Trotzdem komme ich etwas ins Grübeln: können wir dieses Vorkommnis nicht auch anders sehen? Treten wir doch mal gedanklich einen Schritt zurück und betrachten wir die Situation aus einem anderen Blickwinkel. Was ist hier genau geschehen?

Wir sind viele Male im Jahr mit der U-Bahn gefahren, immer pünktlich und problemlos, aber das wird in solchen Momenten schlichtweg ausgeblendet, diese einmalige Komplikation wird hochgespielt und die U-Bahn generell schlecht bewertet. Die vielen anderen regelmäßigen und unbeschwerten Fahrten werden nicht mehr beachtet – es muss ja nicht jede problemlose Abwicklung hochgelobt werden oder wie wir es in Asien beobachten durften, dass sich die Schaffner beim Betreten und Verlassen eines Abteils immer verbeugen.

 

Anerkennung für Alltägliches

Wie in diesem beschriebenen Fall geht es uns sicher in vielen anderen Punkten im alltäglichen Leben – wir setzen vieles einfach als selbstverständlich voraus, weil wir uns daran gewöhnt haben und uns daher einfach darauf verlassen, dass dies immer so ist. Sei es die freundliche Nachbarin, die unsere Pakete entgegennimmt, sei es der Kollege, der immer für den Kaffee- und Teevorrat sorgt, sei es der Partner, der uns immer mit leckeren Kuchen verwöhnt, sei es die Flugbegleiterin, die uns immer so freundlich im Flugzeug willkommen heißt, sei es die Verkäuferin, die uns gut berät, sei es der Handwerker, der pünktlich und zuverlässig seine Arbeit verrichtet.

Bei den ersten Malen wird es vielleicht noch besonders geachtet, aber im weiteren Verlauf setzen wir darauf, ja erwarten, dass alles so verläuft, das Normale wird zur Selbstverständlichkeit und wehe wir Gewohnheitstiere werden hier in irgendeiner Form gestört. Aber sich hin und wieder dieser Selbstverständlichkeit bewusstmachen und sie aufrichtig schätzen, wäre doch schon ein Anfang, daher sich vielleicht bei der Nachbarin für die Paketannahme mal mit einem Blumenstrauß bedanken und dem sorgenden Kollegen mal ein Stück Gebäck mitbringen.

Wenn wir uns manchmal bewusstmachen, wie oft die Bahn pünktlich und problemlos fährt, wie sie doch meist zuverlässig ist, dann fällt ein einmaliger Ausfall nicht so schwer ins Gewicht – für uns hat dieser Ausfall zwar immer die gleichen Auswirkungen, aber wenn wir generell eine anerkennende Einstellung haben, dann wird dieses Problem nicht unnötig hochgeschaukelt und aufgebauscht.

 

Außergewöhnlicher Ablauf

Doch wir machen auch immer wieder die Erfahrung, dass eine Abwicklung, ein Vorgang zwar im Normalfall abläuft, dass alles so, wie wir es kennen und gewohnt sind, geschieht, dass keine Störungen oder Zwischenfälle auftreten, aber doch ist es dieses Mal etwas anders. Alles ist einen Ticken besser, ein Nuance schneller, angenehmer oder schöner. Dieser zusätzliche Touch trägt dazu bei, dass uns etwas ansonsten Alltägliches ganz besonders in Erinnerung bleibt, dass wir es ganz besonders genießen können, dass wir ganz besonders unterstützt werden.

 

Park-Wonderfulfifty

 

Um das auch gleich mal an einem Beispiel zu verdeutlichen, will ich euch eine kleine Begebenheit erzählen:

Wir gehen doch davon aus, dass wir in einem Restaurant freundlich bedient werden, dass wir köstliche und gut zubereitete Speisen erhalten. So haben wir in Taiwan auch ein landestypisches Lokal besucht und natürlich Nationalgerichte verkostet. Der „Stinky Tofu“ hat uns weder vom Geruch noch vom Geschmack irgendwie überzeugen können, es war uns hier schlichtweg einfach unmöglich, den zu essen. Beim Begleichen der Rechnung gab es dann für uns die große Überraschung – der „Stinky Tofu“ war bei den einzelnen Posten nicht angeführt und mit Händen und Füßen wurde uns dann erklärt, dass sie auf eine Bezahlung des Gerichts verzichten, da wir mit dem „Stinky Tofu“ nicht klar gekommen sind. Dabei war dies ja keine Reklamation, wir hatten nichts beansprucht, da wir ja selbst dieses Gericht bestellt hatten und es korrekt zubereitet war, bloß unsere Gaumen und dieser Tofu waren einfach nicht kompatibel.

Dieses besondere Entgegenkommen und dieses Bemühen geht dabei über eine normale Kundenbetreuung in einem Lokal hinaus und verdient daher besondere Anerkennung. Bei solchen Ereignissen ist natürlich besonders wichtig, dass wir uns explizit klar machen, dass dies ein besonderer Fall ist und es sich nicht um den Normalzustand handelt. Denn sonst wird aus diesem Außergewöhnlichen, aus dieser ganz besonderen Behandlung der Normalfall und wir setzen dies in der Zukunft gleich mal als Selbstverständlichkeit voraus und sind vom eigentlichen normalen Vorgehen schon mal enttäuscht.

 

Troubleshooting

Wir schätzen also den Regelfall, die standardmäßige Abwicklung und machen uns diese für uns Selbstverständlichkeiten immer mal wieder bewusst, wir anerkennen und würdigen eine ganz besondere Behandlung, die um den Normalfall hinausgeht. Aber warum nicht mal noch einen Schritt weitergehen – was kann denn jetzt noch kommen, sind die Gedanken, was gibt es denn ansonsten noch Weiteres?

Ich denke, das lässt sich auch wieder am anschaulichsten anhand eines Beispiel darstellen: wir sitzen im Zug und plötzlich gibt es mitten auf der Strecke einen Halt. OK, kann ja mal sein, vielleicht muss ein Gegenzug abgewartet werden, vielleicht gibt es irgendeinen anderen Grund. Als jedoch die Zeit immer mehr vergeht und wir bei einem Blick auf die Uhr feststellen, dass wir den Anschlusszug nur mehr schwer erreichen werden, breitet sich schließlich etwas Unruhe aus. Doch ehe wir noch richtig nervös werden, kommt auch schon eine freundliche Schaffnerin, nimmt die Daten der Anschlussverbindungen auf und kurz danach erhalten wir schon die Umbuchung – wir steigen in einen anderen Anschlusszug und kommen natürlich mit ein paar Stunden Verspätung trotzdem an unserem Ziel an.

Ja, natürlich können wir jetzt sagen, dass die Bahn für diese Panne verantwortlich ist, dass es in ihren Aufgabenbereich fällt, sich um unseren weiteren Anschluss zu kümmern – sie waren quasi die Verursacher von unserem Problem, also sind sie auch für die Lösung zuständig. Doch wir können andererseits auch denken, dass sie diese Unannehmlichkeit professionell gehandelt haben, dass sie diese Situation schlussendlich wunderbar im Griff hatten.

Ihr merkt schon, worauf ich hinaus will: wenn etwas aus welchem Grund auch immer schief gelaufen ist, wenn etwas nicht so gelungen ist, wie wir es uns vorgestellt haben, wenn wir von einem Erlebnis enttäuscht sind, dann stehen vielfach gleich mal Frust, vielleicht auch Ärger und Wut an vorderster Stelle. Doch es geht in diesem Fall auch anders: wie wäre es denn, wenn wir Lösungsmaßnahmen anerkennend würdigen würden, wenn wir den anderen zeigen, dass wir ihre Mühen schätzen, dass uns bewusst ist, dass hier ein Missgeschick, vielleicht auch ein Fehler ihrerseits passiert ist, aber dass wir ihre kompetente Problemlösung schätzen und uns daher auch explizit dafür bedanken. Ich denke, jeder freut sich besonders nach einem Troubleshooting über ein ehrliches Kompliment und über die Anerkennung seiner Leistungen.

 

Park-Wonderfulfifty

 

Das soll jetzt kein Weichspülen und Augenverschließen vor den Tatsachen sein – sicherlich gibt es Betriebe, die einfach keine zuverlässige Arbeit und keinen guten Service bieten, die es verdienen, auch mal kritisiert zu werden, sicher gibt es Menschen, die einfach immer unfreundlich zu ihren Mitmenschen sind, mit denen eine gute Zusammenarbeit schwer möglich ist. Aber die meisten sind doch um gute Leistungen bemüht, sie schauen auf Kundenfreundlichkeit und auf schönes Miteinander.

Hier geht es doch eher etwas um etwas Grundsätzliches, um etwas Prinzipielles, wenn etwas den normalen Weg läuft, dann wird dies ohnehin als selbstverständlich vorausgesetzt und nicht weiter groß beachtet. Wenn jedoch etwas mal nicht den normalen Verlauf nimmt, wenn vielleicht eine Unachtsamkeit oder ein Fehler passiert sind, dann sollte dies auch immer in Relation zum Gesamtpaket gesehen werden, bevor einfach der Wut und dem Ärger ungefiltert Luft gemacht werden.

 

Ich denke, es ist sowohl positiver für uns als auch im Sinne eines guten Zusammenlebens, wenn wir ein bisschen Aufmerksamkeit den anderen gegenüber zeigen, dabei auch an und für sich Selbstverständliches mal bewusst wahrnehmen und anerkennend erwähnen und dadurch unseren Blick mehr auf die positiven Seiten lenken, sodass uns ein etwaiges Missgeschick nicht mehr so bedeutend vorkommt und wir dem Fehler toleranter begegnen können.

Hast du gegenüber anderen einen Normalfall schon mal anerkennend erwähnt? Wie war die Reaktion? Bist du nach einem etwaigen Missgeschick schon einmal mit einer prompten Lösung überrascht worden?

Ich bin total gespannt auf deine Erfahrungen.