Gedankenplauderei

Was haben soziale Medien mit Opas Bauch zu tun?

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In diesem besonderen Jahr, in diesen Zeiten der Pandemie ist die Digitalisierung besonders vorangeschritten und hat sehr viele Bereiche unseres Lebens verstärkt erfasst, dabei nimmt sie infolgedessen natürlich Einfluss auf viele Bevölkerungsschichten und alle Altergruppen. Sie erweist sich während des Lock-Downs immer wieder als wahrer Segen und wir können dabei viel Nutzen daraus ziehen, aber dennoch ist nicht alles Gold, was glänzt, und es verbergen sich dahinter auch nicht zu unterschätzende Gefahren, wenn wir nicht die notwendige Vorsicht walten lassen.

 

Ein junger Fußballer

So haben wir vor kurzem nach längerer Zeit einen Bekannten getroffen und beim folgenden Gespräch hat er uns auch von seinem jüngeren Sohn erzählt – dieser ist mittlerweile bereits zehn Jahre alt, sehr ehrgeizig in der Schule und ein begeisterter Fußballspieler. In seiner Freizeit sportelt er mit Leib und Seele und ist ständig in Bewegung, vom Laufen über Klimmzüge bis zu allen möglichen sonstigen Turnübungen steht bei ihm alles auf dem Plan.

Das alles hört sich zuerst einmal nach einem lustigen und lebensfrohen Jungen an, aber dieser Schein stellt sich dann doch anders heraus – denn plötzlich weigert sich der Sohn unseres Bekannten etwas Anderes als Salat zu essen und führt als Begründung an: „Ich will keinen solchen Bauch bekommen wie Opa!“ und seine Gedanken drehen sich nur mehr um seine Muskeln, seine Figur und seinen Sixpack. In der anschließenden Therapie stellt sich heraus, dass die Ursache in den inszenierten Bildern seiner Fußballvorbilder liegt, mit denen er sich vor allem in den Zeiten des ersten Lock-Downs besonders intensiv beschäftigt und mit denen er sich in der Folge selbst immer wieder verglichen hat.

 

Wir haben Erfahrung

Ja, wir können jetzt sagen – das sind Kinder, die haben noch keine Erfahrung im Leben, die wissen nicht, wie das reale Leben wirklich läuft und lassen sich davon beeinflussen, nehmen dies als

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Tatsache und wollen dem gegebenenfalls auch noch nacheifern. Dennoch hat mich diese Tatsache schon sehr schockiert und nachdenklich gemacht – wir hören in diesem Zusammenhang wohl eher mal von Mädchen, gerne in der Pubertät, die sich in der Selbstfindungszeit befinden, die sich online am inszenierten Mainstream orientieren und sich dabei auch mal „verlaufen“. Doch ein zehnjähriger Junge? Ein Junge, der lustig mit seinem Ball durch den Garten hüpft? Ein Junge, der im Gegensatz zu machen Altersgenossen nicht so viel Zeit mit Gamen, sondern mit intensiver Bewegung verbringt. So ein verworrenes Körperempfinden ist natürlich für alle Menschen schlimm, egal welches Geschlecht, egal welches Alter – doch gerade bei einem kleinen Wildfang würden wir das wohl eher nicht vermuten.

Aber überlegen wir mal selbst, schaffen wir es immer, uns gegen diese Bilder abzugrenzen? Ich denke, ein kurzer Blick darauf löst wahrscheinlich noch nicht wirklich etwas aus, aber wenn wir immer wieder mit solchen Eindrücken überflutet werden, weil irgend so ein Algorithmus glaubt, wir wollen das sehen, dann nimmt es immer mehr Realität an und auch wenn wir uns das bewusst vorsagen, dass dies nicht Tatsache ist, dass die Aufnahmen geschönt und die Beschreibungen optimiert worden sind, dann kann doch vielleicht davon etwas unbemerkt in unser Unterbewusstsein eindringen.

Ich denke hier mal zum Vergleich an die Mode, da kommt ein neuer Trend und beim ersten Anblick schüttle ich gleich mal mit den Gedanken „Nein, nicht mit mir“ den Kopf, beim nächsten Mal kommt schon die Erinnerung an dieses Teil, das mir so gar nicht gefällt und bei einer weiteren Begegnung und noch einer und noch einer, da stiehlt sich dann vielleicht langsam die Überlegung in mein Gehirn „So übel sieht das ja gar nicht aus“. Ist es euch nicht auch schon mal so gegangen, dass ihr etwas, das euch zuerst überhaupt nicht gefallen hat, mit dem ihr nichts anfangen konntet, dann doch zu einem Lieblingsteil wurde? Da kommt doch auch dieser Gewöhnungseffekt zum Zug und ich denke, wenn wir mit unrealistischen Bildern immer wieder konfrontiert werden, so gewöhnen wir uns schließlich ebenfalls an diesen Anblick.

 

Die „gute alte Zeit“ oder der heutige Mainstream?

Ich erinnere mich noch gut an eine Zeit, in der diese Hochglanzmagazine die sogenannten „schönen“ Menschen gezeigt haben und hier war wohl allen bewusst, dass diese für diese Aufnahmen explizit inszeniert worden sind, dass hier Profis an der Bildgestaltung und Aufmachung gearbeitet haben, dies eben geschönte Bilder und somit kein tatsächliches Abbild eines alltäglichen Lebens waren. Für uns waren es eben Zeitschriften mit Bildern, die zwar schön anzuschauen sind, aber bewusst nicht unserem Alltag entsprachen und das war auch in den Gedanken meist so verankert. Privatpersonen hatten damals ja in den wenigsten Fällen die Möglichkeit, Änderungen an ihren eigenen Bilder durchzuführen und diese in irgendeiner Form zu optimieren – so wie sie aufgenommen worden sind, so haben wir sie eben gesehen und das war bei unserem Umfeld genauso der Fall.

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Blicken wir noch mal einige Zeit zurück und keine Sorge, jetzt kommt nichts von der guten alten Zeit, wie sie von manchen gelobt wird. Ich denke, jede Zeit hat ihre Sorgen und Laster und ihre schönen Punkte und da wir einem ständigen Wandel und einer ständigen Veränderung unterworfen sind, gibt es eben Manches, das sich für uns verbessert, das schöner und toller wird und manches, das sich für uns zum Nachteil verändert. Jedenfalls waren Fotos einfach Fotos, wie sie tatsächlich in diesem Moment aufgenommen worden sind und sie wurden oder besser gesagt konnten von den wenigsten nachbearbeitet werden, in ihrem Sinne eben verschönt und idealisiert. Wenn wir heute hingegen Fotos betrachten, dann sind diese in den wenigsten Fällen ohne Filter und Nachbearbeitung, es gibt fast keine naturgetreuen Abbildungen mehr. Hiermit soll dann damit immer mal wieder etwa ein einheitliches Bild eines Accounts geschaffen werden.

So habe ich erst unlängst auch die bildhafte Aussage gehört – es gab eine Zeit, da war halt eine grüne Wiese einfach nur eine grüne Wiese, in den heutzutage „aufgehübschten“ Bildern müssen hier mindestens auch zwanzig Blumen vorhanden sein. Damit soll versinnbildlicht werden, dass wir meist mit eigentlich unnatürlichen Bildern, mit aufgepimpten Fotos konfrontiert sind, bei denen die Inhalte vom Ersteller verschönt wurden – wobei die Bezeichnung Schönheit natürlich auch wieder einer sehr individuelle Begrifflichkeit ist, denn wenn für den einen etwas schön aussieht, muss dies noch lange nicht für den anderen auch der Fall sein. Diese Aufbereitung richtet sich hier vielfach nach dem Geschmack des Mainstreams.

Diese immer mehr überbordende Selbstinszenierung, bei der der äußere Schein so gar nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht und jeder noch so kleine Makel gleich mal retuschiert wird, diese Nachbearbeitung der Bilder durch Photoshop oder auch mit allen möglichen Apps und Filtern auf den Smartphones hat den Privatbereich erfasst, sodass wir immer weniger natürliche Fotos antreffen. Aber sind es doch nicht diese kleinen Unregelmäßigkeiten, die einen Menschen besonders machen – nicht diese vereinheitlichten Bilder des Mainstreams, wo alles den errechneten und ermittelten angeblich schönsten Proportionen entspricht.

 

Idealbild und Realität

Dieser Themenbereich ist umfassend und es können damit sicherlich Tausende an Seiten gefüllt werden – ich will daher jetzt nur auf einen kleinen Teilbereich eingehen und da ploppen vor meinem geistigen Auge gleich mal eine Menge an Fragen auf: Lassen wir uns von den gezeigten Bilder beeinflussen? Haben diese eine negative Auswirkung auf uns? Spiegeln sie uns eine andere Welt vor, von der wir uns gefühlsmäßig abgrenzen können oder nehmen wir dies alles ungeprüft auf? Wie fühlen wir uns nach einem Tag, an dem wir nur ein Missgeschick nach dem anderen hatten, wenn wir diese geschönten Bilder, diese erfolgreichen Menschen sehen? Fühlen wir uns dann noch schlechter, vielleicht auch unfähiger, drücken sie unser Selbstwertgefühl noch mehr oder fühlen wir uns dadurch inspiriert und motiviert? Sind wir wirklich auf Dauer resistent gegen die Berieselung und Überflutung von diesen Bilder? In einer Studie wurde festgestellt, dass Urlaubsorte, die auf den Aufnahmen von verschiedenen Privatpersonen aufscheinen, auch in der Folge öfters von anderen gebucht werden. Hier spielen diese unbewussten Gedankengänge und die Lenkung der Überlegungen eine besondere Rolle und bei manchen ist dann natürlich die Gefahr gegeben, hier fremdbestimmt ein Ziel zu wählen, dass zwar dem aktuellen Mainstream entspricht, aber keinesfalls den eigenen Vorlieben.

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Es spricht meines Erachtens sicherlich nichts dagegen, sich zur Entspannung oder vielleicht auch zur Anregung und Inspiration derartige Bilder zu betrachten, sich nur mit schönen Eindrücken überfluten zu lassen und dabei seinen Gedanken eine kleine Auszeit vom Alltag zu gönnen. Solange uns dabei bewusst ist, dass diese Bilder meist zur Perfektion gephotoshopt worden sind und wir uns danach nicht negativ belastet fühlen.

Ich denke, problematisch wird es wahrscheinlich vor allem dann, wenn die Grenzen zwischen Realität und Illusion sich zu verschwimmen beginnen, wenn retuschierte Bilder als persönliches Ziel definiert werden, wenn aufbereitete und bearbeitete Aufnahmen als Grundlage und Vergleiche dienen oder wenn eben ein kleiner Junge nicht erkennt, dass diese Bilder nicht den Tatsachen entsprechen und seine Vorbilder nicht wirklich so aussehen und diese gezeigten Aufnahme auch mit noch so großer Anstrengung von ihm nicht erreicht werden können. Wenn wir uns öfters so eine bestimmte Art von Menschen ansehen, dann werden uns ähnliche Bilder immer häufiger vorgeschlagen und wir landen schließlich in einer Blase, in der wir den Eindruck gewinnen, dass es nur mehr diese perfekten Menschen um uns gibt.

Solche Bilder sind vielleicht eine Zeitlang mal schön anzusehen, aber die wirklich interessanten Beiträge finden wir doch dort, wo noch Natürlichkeit gegeben ist, wo aus dem Alltag berichtet wird, wo auch mal nicht so schöne Dinge zum Thema gemacht werden – dort wo eben das Leben mitspielt und seien es auch mal etwas verwackelte Fotos, Fotos, bei denen nicht jedes Detail explizit in Szene gesetzt worden ist, sondern die einfach die Realität widerspiegeln. Natürlich muss nicht jeder Pickel gezeigt werden, nicht jedes einen selbst störendes Detail in die Kamera gehalten werden, trotzdem denke ich, dass wir uns etwas aus dem Sog dieser überaus perfektionierten Fotos befreien sollten.

 

Einfluss auf die Gedanken

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Es ist spricht meines Erachtens auch nichts dagegen, andere Menschen toll zu finden und gegebenenfalls auch Äußerlichkeiten an ihnen zu bewundern und dies diesen Personen natürlich auch mitzuteilen – das ist doch ein schönes Miteinander, wir gehen auf einander ein und jeder hat seine Vorzüge und Nachteile. Dagegen wird es zu einem Problem, wenn wir an den anderen immer nur das Bessere und Schönere sehen und uns damit selbst immer aburteilen. Denn wir diese Gedanken regelmäßig zulassen, wenn wir uns nur auf unsere subjektiven Schwächen konzentrieren und uns mit perfektionierten und idealisierten Bildern vergleichen, dann können wir doch dabei nur im Nachteil sein.

In diesem Zusammenhang spielt auch die Macht der Gedanken keine unwesentliche Rolle, denn die Gedanken beeinflussen uns total und bedeutend mehr, als uns wirklich bewusst ist, und sie tragen vor allem zu unserem Wohlbefinden, aber auch zu unserem Selbstwertgefühl bei. Wenn wir uns durch diese aufgemotzten Bilder immer schlecht und unzulänglich, nicht perfekt genug und zu wenig passend fühlen, dann führt dies doch zu Frustration, ja und kann im schlimmsten Fall auch mal Depressionen oder andere Krankheiten hervorrufen. Je gefestigter wir in der Beziehung zu unserem Körper und zu unserem eigenen Leben sind, umso leichter und einfacher ist es für uns, mit einem derartigen Einfluss von außen fertig zu werden und unsere Gedanken in die entsprechende Richtung zu lenken. Es ist daher schön, wenn wir uns mit positiven Menschen – in der aktuellen Situation vielleicht eine etwa zweideutige Beschreibung, aber ihr wisst sicher, was ich damit meine – umgeben, Menschen, die uns inspirieren und motivieren, die uns jedoch auch mal den ganz gewöhnlichen Alltag zeigen, ihre Schwächen beschreiben, uns an allfälligen Missgeschicken teilhaben lassen, Fehler darlegen und verdeutlichen, dass auch sie nicht nur ein perfektes Leben in einem Wolkenschloss führen.

 

Somit darf ich auch schon das Wort an dich übergeben und freue mich, wenn du mich an deinen Erfahrungen, deinen positiven Erlebnissen oder aber auch nachdenklichen und kritischen Gedanken teilhaben lässt.