Gedankenplauderei, Lifestyle

Social Distancing – bist du allein? Bist du einsam?

Wenn uns jemand vor drei Wochen gesagt hätte, dass wir ab 1. April im öffentlichen Leben Gesichtsmasken tragen, dann hätten wir das wohl alle für einen Aprilscherz gehalten. Diese Masken kennen wir ja von den asiatischen Touristen, wenn sie mit ihren Kameras die Hotspots einer Stadt abeilen und damit eine Unmenge an Fotos knipsen. Wir kennen sie vielleicht auch von den Flugzeugen und natürlich vom medizinischen Bereich, wenn wir dem Zahnarzt einen Besuch abstatten oder wenn wir im Krankenhaus sind. Jedoch auf offener Straße sind diese Masken bei uns bisher ein ungewohnter Anblick gewesen, aber es gibt auch noch etwas Anderes, was für uns zurzeit ungewohnt ist und das ist dieses „Abstand halten“ – kein Händeschütteln zur Begrüßung, kein anerkennendes Schulterklopfen, kein Umarmen und Drücken, wenn wir uns von lieben Menschen verabschieden. Social Distancing ist angesagt.

 

Bedeutung

Wenn schon ein Wort so viel Einfluss auf unser derzeitige Leben hat, dann wollen wir uns doch mal kurz die Bedeutung genauer anschauen und schauen mal, was Wikipedia dazu sagt: Der Kontakt zwischen den Menschen ist zu verringern, um damit die Ausbreitung einer Krankheit zu verlangsamen oder überhaupt zu stoppen. Dabei ist dieser Ausdruck nicht ganz korrekt gewählt – da ja nicht gesellschaftlicher Abstand genommen werden soll, sondern es geht um eine räumliche Distanzierung der Menschen, wobei dies eigentlich als „Physical Distancing“ zu bezeichnen wäre.

 

Begrenzung

Egal, ob sich unsere Familie oder unsere Freunde auf einem anderen Kontinent oder in einem anderen Land befinden, egal ob sie sich in einer anderen Stadt oder in einem anderen Ort aufhalten, egal ob sie in einem anderen Haus oder in einer anderen Wohnung sind – auch wenn diese vielleicht räumlich nicht weit entfernt ist, dann ist dennoch derzeit kein Treffen und kein Zusammensein mit unseren Lieben möglich. Es sind bisher erst ein paar Wochen vergangen und wir wissen jetzt nicht wirklich, wie lange dieser Zustand noch anhält, ja – es kann wohl niemand genau abschätzen, wie lange das Social Distancing noch erforderlich ist. Trotzdem wissen wir, dass es sich um einen zeitlich begrenzten Zustand handelt und dieser in absehbarer Zeit zu Ende sein wird.

Wenn wir diese Einschränkung aber ganz ehrlich betrachten, so haben wir uns ohnehin nicht ständig mit allen Freunden und Verwandten getroffen – dies kann jetzt natürlich anhand der Entfernung gelegen haben. Aber auch ansonsten gab es immer wieder Situationen, wo wir uns vielleicht einige Zeit oder auch mal für längere Zeit nicht persönlich gesehen haben – weil wir in Urlaub waren, weil unsere Lieben verreist waren, weil es beruflichen Stress und Mehrarbeit gegeben hat, weil andere gesellschaftliche Verpflichtungen angestanden sind. Wir empfinden es vielleicht auch deswegen teilweise als Begrenzung, weil wir einfach nicht Freiheit haben, das zu tun, worauf wir gerade Lust haben.

Aber auch wenn wir mit Familienmitgliedern im Ausland keine regelmäßigen Treffen hatten, auch wenn hier ein Zusammensein nicht spontan möglich war, so ist dennoch hier für mich ein etwas mulmiges Gefühl, wenn derzeit überhaupt keine Möglichkeit zu einer Zusammenkunft besteht, ja wenn jetzt mal abgesehen von einem persönlichen Treffen, etwa nicht einmal ein Osterpaket nach Japan geschickt werden kann.

 

Keep Distance

Ich denke, diese Situation ist vor allem für kleine Kinder und ältere Menschen belastend. Kleine Kinder haben noch ein beschränktes Zeitgefühl, sie können sich unter einer Woche oder zehn Tagen nicht wirklich etwas vorstellen, das äußert sich ja oftmals bei einer Autofahrt. „Wann sind wir endlich da?“, kommt es vom Kindersitz. „In einer Viertelstunde“, wird in Aussicht gestellt – doch es dauert keine fünf Minuten, bis wieder die Frage kommt „Wie lange dauert es noch?“. Daher ist diese aktuelle Zeit sicher für Kinder schwer vorstellbar, und dazu kommt auch noch die Tatsache, dass sie jetzt nicht in den Kindergarten dürfen, dass sie nicht mit ihren Freunden auf dem Spielplatz sein dürfen, dass sie Oma und Opa nicht besuchen dürfen, dass es kein großes Familienfest zu Ostern gibt. Es ist ja auch für uns selbst eine vor Wochen noch unvorstellbare Situation, wie sollen diese dann kleine Kinder verstehen.

Für die älteren Menschen ist dies wahrscheinlich auch nicht so einfach, vor allem wenn sie alleine wohnen und mit den technischen Errungenschaften noch nicht wirklich vertraut sind. Natürlich ist ein Anruf immer eine Option, aber es gibt mittlerweile so viele tolle Möglichkeiten, um Kontakt mit anderen zu halten oder sie an unseren Leben teilhaben zu lassen, auch wenn wie derzeit kein direkter persönlicher Kontakt gegeben ist. So hat etwa meine Miss Travel mit ihren Freunden weiterhin ihren Stammtisch veranstaltet, jeder bei sich zu Hause und doch über die Medien direkt zu einer wunderbaren Runde verbunden – ein bisschen Kreativität und schon können lieb gewonnene Traditionen auch in der ungewohnten Situation und unter Berücksichtigung des Social Distancing erhalten bleiben.

Aber wir können auch die Älteren unterstützen oder erfreuen, wenn sie etwas weiter entfernt wohnen. Wie wäre es, wenn wir etwa mit dem Lieferservice älteren Familienmitgliedern einen Blumenstrauß anstatt eines derzeit nicht möglichen persönlichen Besuchs schicken? Damit können wir doch gleich quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einerseits werden die betroffenen Betriebe durch solche Aufträge etwas unterstützt und den anderen Menschen wird gezeigt, „Da ist jemand, der denkt an dich. Du bist nicht allein – wir halten zusammen und vergessen niemanden.“

 

Virtuelle Welt – Freunde

Klar wäre es auch jetzt mal wieder schön, sich mit Freunden im Cafe zu treffen, sicher würden wir gerne die Tante zum Geburtstag besuchen, natürlich haben wir uns auf ein wunderbares Osterfest mit der Familie gefreut. Aber das ist halt im Augenblick nicht möglich und ich denke, jetzt gewinnen sicher auch die virtuellen Freunde an Bedeutung. Damit meine ich natürlich nicht jene „Freunde“, die so durch Social-Media cruisen und quasi wahllos ihre Herzchen und Likes oder was auch immer in der Gegend verteilen.

Es ist doch so, dass wir doch auch online auf Menschen treffen, mit denen wir Gemeinsamkeiten haben, wo wir einen tollen Austausch finden, wo wir uns gerne Tipps und Anregungen abholen – fast so ein bisschen wie der Plausch mit einer Freundin, auch wenn wir noch nie wirklich persönlichen Kontakt hatten. Sei es ein Blog, den wir immer wieder gerne besuchen und wo wir gerne mitlesen, sei es Youtube-Kanal, der uns anspricht, oder ein beliebiges anderes Medium, wo wir uns wohlfühlen. Also warum nicht hier in der gegebenen Situation des Social Distancing den Kontakt halten und vielleicht intensivieren, wo sich zurzeit viele zu Hause aufhalten, Homeoffice betreiben oder überhaupt freigestellt sind. Das soll jetzt natürlich bitte nicht falsch verstanden werden – die Beziehung zu Menschen im realen Leben kann dadurch natürlich nicht vollständig ersetzt werden, aber es ist doch eine wunderbare Ergänzung dazu und wir lernen dadurch sicher auch Menschen kennen, die wir persönlich wohl nie getroffen hätten.

 

Änderung der Denkweise

Was macht diese Zeit überhaupt mit uns? Wie wirkt sich dies auf uns aus, wenn wir räumliche Distanz zu unseren Mitmenschen halten sollen, ja wenn wir uns überhaupt nach Möglichkeit nur zu

Hause aufhalten sollen? Auch wenn ich mich bewusst nicht ständig mit diesem Thema beschäftige, so dringt es doch in unser Leben ein und beeinflusst uns auch, ohne dass wir dies wirklich bemerken.

So habe ich unlängst einen Film gesehen, in dem sich im Park eine Gruppe von Menschen durch Umarmungen begrüßt hat und irgendwie wollte ich schon rufen „Nein, ihr sollt das nicht machen – Abstand halten“. So sehr es in unserem Umfeld dazu gehört hat, dass sich die Menschen beim Begrüßen die Hand geben, so schnell gewöhnen wir uns daran, dies nicht mehr zu tun. Nach den ersten Tagen, wo noch etliche unbewusst die Hand ausgestreckt haben, treffe ich eigentlich auf niemanden mehr, der dies auch nur andeutet.

Dafür ist es umso auffälliger, dass die Menschen zueinander freundlicher und höflicher sind. Sei dies beim Einkaufen im Lebensmittelladen, sei dies am Telefon. Immer wieder kommt die Frage nach dem Befinden und im Gegensatz zu früher, wo dies gerne so mal als Floskel eingesetzt worden ist, habe ich jetzt den Eindruck, dass es den Menschen wirklich ernst ist, dass sie wirklich Interesse daran haben, ob der andere wohlauf ist. Und wo früher vielleicht nur ein Abschiedsgruß gemurmelt worden ist, wünschen sich die Menschen gegenseitig freundlich „Gesundheit“.

Trotz dieser ungewohnten Situation wird hier ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt, dieses Social Distancing betrifft doch alle, unabhängig vom Alter und der Lebenssituation, unabhängig davon, ob sie in der Stadt oder auf dem Land wohnen – wir sitzen quasi alle im gleichen Boot und das über die Grenzen, ja über die Kontinente hinweg, die ganze Welt ist davon betroffen.

 

Allein und einsam

Über dem Social Distancing kreist immer wieder die Angst vor der Einsamkeit – die Menschen sind zu Hause alleine, manche sind einsam. Sie haben und sollen keinen persönlichen Kontakt zu ihren Mitmenschen haben – vor allem die Risikogruppen sollen ihr Zuhause überhaupt nicht verlassen. Dabei ist es meines Erachtens wichtig, den Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit zu betrachten. Die meisten Menschen sind jetzt länger physisch alleine als im Normalfall oder zumindest auf ein Minimum an persönlichen Kontakten eingeschränkt, trotzdem sind wir dadurch nicht automatisch einsam.

Alleinsein kann auch Schönes und Positives bedeuten und auch ein selbstgewählter Zustand, den wir genießen, Einsamkeit ist hingegen negativ behaftet. Wenn wir einsam sind, haben wir das Gefühl, dass wir von allen verlassen worden sind, dass keiner an uns Interesse hat, dass wir allein sein müssen und weder persönliche noch andere Kontakte haben. Auch wenn wir jetzt an unser Zuhause gebunden sind und dem Aufruf „Stay at home“ Folge leisten, dann können wir dennoch die Zeit alleine zu einer erfüllten Zeit für uns machen, die keinerlei Einsamkeit zulässt.

 

Rückbesinnung auf sich selbst

Im täglichen Leben hören wir doch immer wieder von Menschen Aussagen wie „Ich habe für nichts Zeit – immer dieser Stress“, „Nie kann ich etwas für mich machen, immer ist etwas Anderes wichtig“, „Ich möchte einfach mal Ruhe haben“, „Ein bisschen Zeit nur für mich“. Ja, manche gehen zur Mediation ins Kloster oder machen Achtsamkeitsretreat in den Bergen – sie wollen dabei abschalten, raus dem alltäglichen Trott und sich in Stille und Ruhe entspannen und auf sich selbst besinnen können.

Jetzt ist es also passiert – ob es uns passt oder auch nicht, viele von uns sind in eine gezwungene „Auszeit“ gesetzt worden und auch wenn wir uns dies jetzt nicht wirklich selbst ausgesucht haben, ist das Social Distancing, dieses Abstandhalten und Zurückziehen in die eigenen vier Wände jetzt mal da. So liegt es also an uns, was wir daraus machen. Wir können jetzt jammern, dass wir die Ruhe jetzt nicht haben wollen, dass wir jetzt nur die Sorgen um die Gesundheit unserer Lieben im Hinterkopf haben oder dass wir uns über die finanziellen und beruflichen Auswirkungen Gedanken machen. Es ist, wie es ist und wir sind gefordert, diese Zeit auch für uns zu verwenden und die Vorteile daraus zu ziehen.

Die Meisten stehen jetzt nicht unter diesem gewohnten Alltagsstress und Druck, also machen wir das Beste und nutzen wir diese Möglichkeit. Schauen wir, was wir uns selbst geben können, lassen wir uns auf uns selbst ein. Ich bin kein Fan von diesen organisierten Veranstaltungen zur Entschleunigung oder zum Kräftesammeln, aber dennoch bin ich schon auch gerne mal alleine und für mich; ich versuche daher diese Zeit – so unpassend das für manche jetzt klingen mag – für mich auch etwas zu einer Wohlfühlzeit zu machen, kann mich selbst beschäftigen oder auch mal so richtig ausgiebig niksen, ohne mich dabei isoliert oder einsam zu fühlen.

 

Wenn ihr also jetzt durch das Social Distancing gerade alleine sein, wenn ihr euch vielleicht auch etwas einsam fühlt, dann macht euch bewusst, dass dieser Zustand zeitlich beschränkt ist, dass kein Grund gegeben ist, deswegen in eine Gefühlskrise zu verfallen. Wir dürfen uns in Zukunft wieder mit unseren Lieben treffen, wir dürfen auch wieder mit anderen Menschen realen Kontakt haben und falls eure Gedanken doch abdriften, dann schnappt euch das Handy, ruft einen lieben Menschen an und quatscht mit ihm über Gott und die Welt – es muss sich doch nicht alles immer um diesen Corona-Virus drehen, oder startet einen Videochat mit euren Freunden, macht ein Workout auf Youtube, bei dem ihr so richtig ins Schwitzen kommt und sich eure trüben Überlegungen im Schweiß auflösen.

Oder noch besser ihr malträtiert jetzt eure Tastatur und hinterlasst mir eure Gedanken, so von Zuhause nach Zuhause: Wie geht es dir mit der derzeitigen Situation – wie wirkt sich das Social Distancing auf dich und dein Leben aus? Welche Wege nutzt du, um mit deinen Lieben Kontakt zu halten? Was fällt dir zurzeit besonders schwer?