Nobody is perfect

Unlängst habe ich im Warteraum eines Arztes ausnahmsweise mal wieder zu den dort aufgelegten Magazinen gegriffen und etwas darin geblättert. Neben allfälligem Klatsch und Tratsch über die High Society gab es dann seitenweise Tipps und Anregungen für die verschiedensten Lebensbereiche.
So waren hier einmal die Tipps für das perfekte Make-Up angeführt, Tipps für perfekt gepflegte Füße, Tipps für perfekt lackierte Nägel, weiter ging es mit den Profi-Tipps für das perfekte Foto, Tipps für das perfekte Selfie, dann gab es Haubenkoch-Tipps für die perfekte Pizza, Tipps für den perfekten Kuchen und den perfekten Cocktail. Auf anderen Seiten waren dann Tipps für den perfekten Mädelsabend, Tipps für das perfekte Badewannenritual, Tipps für die perfekten Flitterwochen und gleich dazu die Tipps für die perfekte Trennung aufgelistet. Aber auch die sportliche Seite wurde nicht vernachlässigt, so gab es Weltmeistertipps für die perfekte Langlauf-Loipentechnik, Tipps für den perfekten Radsport, Tipps für die perfekte Schigymnastik.
Ja, es scheint keinen, noch so unbedeutenden Bereich in unserem Leben zu geben, für den nicht Tipps, am besten vom Profi oder Weltmeister zur Verfügung stehen. Diese Listen beschränken sich jedoch nicht nur auf die Magazine – wir brauchen doch nur Google anzuwerfen und schon werden uns seitenweise die Suchergebnisse mit den Tipps angezeigt.
Was mir jedoch bei den ganzen Aufstellungen mit den Tipps aufgefallen ist: es wird immer das Wort „PERFEKT“ angeführt – alles muss perfekt gelöst werden, alles muss perfekt ausgeführt werden, alles muss perfekt gestaltet werden. Nur das perfekte Ergebnis wird akzeptiert und zählt.
Indirekt wird vermittelt: Wir leben in einer perfekten Welt und alles um uns muss perfekt sein.
Wenn wir einmal nachschlagen, was bedeutet das Wort „PERFEKT“ denn nun genau:
vollkommen, einwandfrei, fehlerfrei, tadellos, makellos, mustergültig, vorbildlich, erstklassig, tipptopp
Eine Eigenschaft also, die nicht leicht erreicht werden kann, wo viel Aufwand dahinter steckt, viel Leistung und Engagement.
- Kennt ihr dieses Gefühl, alles perfekt machen zu wollen, alles fehlerfrei und makellos abliefern zu wollen?
- Kennt ihr dieses Gefühl, dass ihr dann nie richtig abschalten könnt, dass ihr in Gedanken immer wieder bei eurem Projekt seid und an mögliche Verbesserungen denkt?
- Kennt ihr dieses Gefühl, keine Schwäche zeigen zu dürfen und alles perfekt erledigen zu müssen?
- Kennt ihr das Gefühl, dass alles, was nicht hundertprozentig gelöst ist, für euch einen Mangel darstellt?
- Kennt ihr das Gefühl, dass ihr überhaupt lieber statt der 100 % doch 150 % liefern wollt, weil sich das doch noch besser, noch perfekter machen lässt?
- Kennt ihr das Gefühl, dass es euch plötzlich heiß und kalt den Rücken runter läuft, weil ihr etwas nicht nochmals kontrolliert habt?
- Kennt ihr das, dass ihr in der Nacht plötzlich wach werdet und ihr Angst und Sorge habt, dass etwas übersehen wurde und ihr euch dann noch an euren Laptop setzt und Kontrollen oder Verbesserungen durchführt?
- Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr euch über euch selbst ärgert oder euch selber böse seid, weil ihr etwas nicht optimal gelöst habt, weil etwas nicht so perfekt verlaufen ist, wie ihr es geplant hattet?
Den Perfektionsgedanken haben wir in unserer Kindheit meist verinnerlicht – wir haben gesehen, dass wir Lob und Anerkennung erhalten, wenn wir gute Leistungen bringen. Wie viel Aufmerksamkeit erhalten wir erst dann, wenn wir nicht nur gute, sondern perfekte Arbeiten abliefern?
Ich kann mich hier noch gut an die Schulzeit, an die Hausaufgaben und Prüfungen, aber auch an das Privatleben erinnern: alles sollte immer perfekt sein, makellos und natürlich fehlerlos. Nichts war für mich so gut, dass es nicht noch besser gegangen wäre. Dabei setzte ich mich vielfach selbst immer mehr unter Druck – besser, schneller sollte es sein. Es fühlte sich für mich zeitweise an wie ein Rennen, das kein Ende findet. Ja, das Ganze endete teilweise in einer richtigen Verbissenheit, nur mehr den Blick auf das perfekte Ziel gerichtet.
Alles soll perfekt sein, alles optimal und vorbildlich: die Ausbildung, der Job und die Karriere, der Partner, der Freundeskreis, die Wohnung, der Lebensablauf. Aber nicht die wesentlichen Punkte, auch Kleinigkeiten oder Nebensächlichkeiten sollen perfekt sein, unter anderem die Frisur – hier darf nicht ein Haar falsch liegen – oder die Kleidung. Wenn wir die Kleidung nicht für uns perfekt zusammengestellt haben, fühlen wir uns wahrscheinlich unwohl, wir sind dann oft abgelenkt und unruhig und denken immer an den „Makel“.
Wir sehen dabei oftmals nur das, was wir besser machen können, was nicht vollkommen ist und wir schaffen es nicht, uns über unsere tatsächliche Leistung zu freuen, sondern schauen, ob wir nicht doch Fehler oder Schwächen entdecken, ob wir nicht doch eine bessere Lösung finden. Warum sehen wir nicht das, was wir alles geschaffen haben? Warum haben wir oft Angst, eine Tätigkeit abzuschließen, eine Arbeit abzugeben, eine Aufgabe zu Ende zu bringen, weil etwas vielleicht doch noch nicht perfekt sein könnte?
It’s okay not to be perfect. It’s okay to make mistakes. It’s okay to do something that you wish you hadn’t done, because if we don’t do those things we never grow.
Dawn Stanyon
Das soll jetzt keine Aufforderung sein, schlampig und nachlässig zu werden und die Arbeiten nicht korrekt und gewissenhaft zu erledigen, sich keine Ziele zu setzen. Das Streben nach Perfektion spornt uns ja auch an, wir entwickeln uns dadurch weiter, wir lernen dazu und erweitern unsere Fähigkeiten. In vielen Berufen ist zudem ein hoher Qualitätsstandard unabdinglich.
Es ist jedoch eine Überlegung wert, ob es in den meisten Fällen nicht genügt, wenn eine Tätigkeit gut und nicht unbedingt perfekt erledigt wird, ob nicht anstatt der 100 % vielleicht doch auch mal 95% reichen, um ein optimales Ergebnis zu erreichen, ein Ergebnis mit dem die anderen sowieso zufrieden sind. Wir müssen versuchen, unseren inneren Druck in die Schranken zu weisen und lernen, das schlechte Gewissen, weil wir nicht das Optimum aus uns herausgeholt haben, zu ignorieren.
Wir müssen auch einfach mal gut zu uns selbst sein, unsere Leistungen anerkennen, auch wenn sie vielleicht nicht unseren eigenen hohen Ansprüchen entsprechen. Gestehen wir uns doch zu „Fast perfekt ist gut genug!“. Das kann zuerst einmal in der Wohnung sein – muss hier wirklich immer alles perfekt geputzt sein? Können wir nicht einen gemütlichen Abend genießen, ohne vorher alles perfekt zusammengeräumt zu haben? Es tut uns gut, auch einmal über kleine Mängel hinwegzusehen und entspannter und lockerer mit unseren Aufgaben umzugehen.
Unser Leben ist nicht perfekt, aber es hat viele perfekte Momente.
Nehmen wir den Stress und Druck, den wir uns durch unser Perfektionsstreben meist selbst auferlegt haben, etwas aus unserem Leben und stehen wir den Anforderungen des Alltages gelassener gegenüber. Verstehen wir, dass wir auch mit Ehrgeiz und Leistungsstreben nicht alles in unserem Leben perfekt erledigen können, dass wir vielleicht auch mal einen Fehler machen, den wir dann zur Weiterentwicklung nutzen können.
Sagen wir uns:
I am perfect because I am not perfect.
Ein sehr schöner und wahrer Text, den ich hoffentlich berücksichtigen kann und sicherlich sollte.
Meist sind wir ja selbst unsere größten Kritiker – wir sollten uns daher den Luxus leisten, nicht alles perfekt machen zu müssen, sondern auch mit einem guten Ergebnis zufrieden sein.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.
Alles Liebe Gesa
Hey, das hast du schön geschrieben. Niemand ist perfekt und ich denke, dass ist auch gut so.
Liebe Grüße!
Keiner ist perfekt – wichtig ist dabei, dass wir selbst das auch zur Kenntnis nehmen, uns nicht mit ständigem Perfektionsstreben die Freude nehmen und uns selbst nicht bei jeder nicht fehlerloser Leistung verurteilen.
Alles Liebe Gesa
„Nobody is perfect“ fällt mir dazu nur ein. Ein toller Text, der mich auch zum Nachdenken angeregt hat.
Bin ich perfekt und will ich es sein? Nö, ich bin es nicht und im Laufe meiner Jahre habe ich mich damit auch abgefunden denke ich.
Klar, es geht immer besser, schneller, höher und weiter. Man sollte danach streben, dass man für sich sein Glück findet, ob nun perfekt oder unperfekt 🙂
Liebe Grüße
Christine
Danke für deinen Kommentar – schön, dich hier zu lesen 🙂
Das ist eine gute Einstellung – wir können nicht alles perfekt machen, wir können nicht immer perfekt sein. Ein Streben nach guter Leistung bringt uns weiter, wenn es jedoch in Perfektionswahn ausartet, dann wird es problematisch.
Alles Liebe Gesa
Liebe Gesa,
da hast du mich aber jetzt erwischt! Ich bin zwar alles andere als perfekt aber ich versuche es eigentlich immer. Woher das kommt? Ja, ich denke es ist wirklich der allgemeine Druck. Genau wie du schreibst. Alles ist auf Perfektion ausgerichtet. Und von einer Frau wird sowieso immer mehr erwartet. Zumindest ist das mein empfinden. Dank dir fürs aufzeigen!
LG Natascha
Liebe Natascha,
da liegst du sicherlich richtig – von den Frauen wird allgemein mehr erwartet und wir lassen uns meistens von dem Druck auf uns und von dem Perfektionsstreben mitreißen. Wir wollen alles sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich schaffen und das auch noch am besten perfekt. Nehmen wir doch etwas den Druck von uns und sich wir mit einem guten statt einem perfekten Ergebnis zufrieden.
Alles Liebe Gesa
Liebe Gesa, mir geht es auch so häufig wie dir, ich blättere durch irgendwelche Zeitschriften und dabei kommen mir meist die besten Ideen für Beiträge, Inspiration findet man wirklich überall und das Thema trifft wiedermal genau ins Schwarze, vor allem zur heutigen Zeit. Ich muss zugeben, ich bin (leider) ein absoluter Perfektionist. Das war ich schon immer und wenn ich könnte (und ich arbeite ständig daran) würde ich es sofort ändern. Ich bin eigentlich nie zu 100% mit meiner Arbeit zufrieden, denke immer, ich kann das noch besser, will immer alles optimieren und es fällt mir verdammt schwer, Dinge aus der Hand zu geben, zu delegieren, das kann ich gar nicht, aber wie schon erwähnt, ich arbeite ständig daran, weil es wirklich zermürbend sein kann auf Dauer. Vielen Dank für den erneuten Denkanstoß. Ich wünsche dir eine ganz fantastische neue Woche, alles alles Liebe und allerliebste Grüße aus Düsseldorf, x S.Mirli
http://www.mirlime.com
Liebe Mirli, es ist meist so, dass wir uns selbst unter den größten Druck setzen, wir selbst immer mit unseren Leistungen nicht zufrieden sind und alles noch besser, noch optimaler lösen wollen. Uns reichen nicht 100%, sondern wir wollen am besten 110 % oder 120 %. Dies lastet dann schwer auf uns und wir können einen Erfolg, eine Leistung nicht wirklich genießen, weil wir der Meinung sind, dass doch noch mehr gehen müsste. Du sprichst das Delegieren an, das kenne ich gut – das ist auch so ein Punkt, der uns Perfektionisten überhaupt nicht liegt, mit dem wir nicht wirklich was anfangen können. Aber vielleicht schaffen wir es doch in Zukunft hin und wieder nicht nach dem absoluten Optimum zu streben und uns etwas Druck aus dem Leben zu nehmen.
Ich wünsche dir auch eine ganz wunderbare Woche, alles alles Liebe und ganz liebe Grüße nach Düsseldorf, Gesa
Ein toller und wichtiger Beitrag! Ich muss zugeben, dass ich irgendwann an mich selbst den Anspruch hatte, alles perfekt machen zu wollen. Mal gelingt es mir, dass ein wenig zu dämmen und bei 95% zu denken: „ok, das ist jetzt auch gut so!“ aber es ist schwer. Ich arbeite in diesem Punkt an mir und habe die stille Hoffnung, irgendwann mal den Perfektionsmus noch ein klein wenig mehr ablegen zu können – er ist nämlich ganz schön anstrengend 😀
Schön, von dir hier zu lesen 🙂
Natürlich gibt es Anforderungen an uns und unsere Arbeit, aber wie perfekt wir sie schlussendlich ausführen, liegt meist an uns. Da sind wir Perfektionisten im Zugzwang und auferlegen uns selbst die höchsten Ansprüche. Alles was nicht 100 % perfekt ist, ist für uns nicht gut erledigt, obwohl andere damit zufrieden sind. Aber wir schaffen es einfach nicht, von unserem hohen Niveau zu lassen, auch wenn das für uns anstrengend und mühevoll ist. Während andere oftmals zu besseren Leistungen motiviert werden müssen, sollten wir unseren Perfektionismus nach Möglichkeit wenigstens hin und wieder etwas zurückschrauben.
Ich wünsche dir einen wunderbaren Abend und alles Liebe Gesa
Wir streben immer wieder nach Perfektion, weil unser Bestes geben wollen. Es ist halt immer ein bisschen eine Gratwanderung, wo „sollte“ ich möglichst perfekt sein und wo kann ich es mir erlauben einfach mal nicht 100% geben zu müssen. Ich ertappe mich auch immer, möglichst alles zu geben, man sollte sich aber auch mal den Druck nehmen lassen und einfach mal relaxen und das machen wozu man Lust hat. Liebste Grüsse
xx Simone
Little Glittery Box
Es ist wichtig, dass wir unsere Arbeit bestens erledigen wollen, dass wir nach guter Leistung streben, denn nur so können wir uns weiterentwickeln, können wir dazu lernen und uns verbessern. Zu einem Problem wird es meines Erachtens dann, wenn wir uns an unserer guten Leistung nicht mehr freuen können, weil wir immer der Meinung sind, dass sie nicht perfekt genug ist. Hier wäre es sinnvoll, unsere Ansprüche etwas zurückzuschrauben, obwohl das für uns Perfektionisten eine große Herausforderung ist.
Alles, alles Liebe Gesa
Ich bin definitiv kein Perfektionist. Vor einige Jahren hatte ich mal so einen Anflug, aber der hat mich einfach nur unglücklich gemacht. Ich habe mich aufgerieben und am Ende war doch nicht alles perfekt. Als jugendliche hatte ich den Perfektionsanspruch immer am Anfang eines Schuljahres. Naja, nach zwei Wochen war der dann futsch 😉
Diese fortwährende Illusion von Perfektion in Zeitschriften oder sozialen Medien, wo das #perfectlife zum #lifegoal wird, finde ich schrecklich. Ich bin lieber unperfekt, aber glücklich. Was bringt es mir, wenn ich in meiner klinisch reinen Küche nicht mehr mit Freunden kochen kann, weil dann wieder alles schmutzig wird? Gar nix. Und warum sollte ich die perfekte Einrichtung anstreben, wenn ich danach alleine in der durchdesignten Wohnung sitze, weil Gäste die heilige Ordnung in Unordnung bringen könnten und das dann bei Instagram nicht mehr so perfekt aussieht?
Der einzige Bereich, in dem ich sowas wie Perfektion anstrebe, ist mein Job. Wobei Perfektion eigentlich der falsche Begriff ist. Genauigkeit und Exaktheit trifft es wohl mehr.
Liebe Grüße
Fran
Danke für deinen tollen Kommentar 🙂
Genauigkeit und eine ordentlich ausgeführte Arbeit sind wesentlich im Beruf, dies ist aber richtigerweise von totaler Perfektion abzugrenzen.
Die derzeit oftmals so gehypte Perfektion in der Wohnung, in der Kleidung, im gesamten Leben führt doch vielfach nur zu Kummer – viele Menschen wollen dann ebenfalls alles perfekt haben, glauben aufgrund der in den Social Medias geposteten Bilder, dass andere das sogenannte perfekte Leben haben und sind mit ihrem eigenen Dasein immer mehr unzufrieden. Sie ziehen ständig Vergleiche, sind neidisch auf das vorgegaukelte perfekte Leben und dabei unglücklich. Andererseits sind auch jene, die diese Bilder posten, in einer schwierigen Situation, sie müssen ständig „perfekte“ neue Bilder liefern, alles muss auf den Bilder 100% durchgestylt, perfekt dargestellt, optimal präsentiert werden – dies ist ebenfalls ein Druck, der auf Dauer sicherlich nicht glücklich macht.
Ich denke, es ist wichtig, dass jeder für sich das entsprechende Maß an Perfektion findet.
Ich wünsche dir ein wunderschönes Wochenende.
Alles Liebe Gesa