Gedankenplauderei

Let’s plan – jetzt auch oder gerade jetzt?

Vor einigen Wochen, als sich so langsam abzeichnete, dass es sich doch um eine etwas längere Krise dauern würde, hatte ich ein Telefonat mit einer ehemaligen Kollegin. Nach über einjähriger Planung soll im Juli ihre Traumhochzeit stattfinden und dann kommt diese Pandemie dazwischen und zerstört ihr alle Pläne und Träume. Sie ist daher entsprechend enttäuscht und stellt immer wieder die Frage „Warum muss das gerade mir passieren?“

 

Enttäuschung und Unsicherheit

Nicht immer läuft alles so wie geplant – sei es eine Reise, weil jemand krank wird, sei es eine Geburtstagsfeier, sei es ein Treffen mit den Freunden, sei eine Bewerbung für einen Job – egal ob dies jetzt in dieser Corona-Zeit ist oder auch im Normalfall – wir sind dann meist enttäuscht und traurig und das ist auch nur logisch und verständlich, wir haben uns auf etwas gefreut, wir haben hingefiebert und vielleicht auch jede Menge Vorbereitungen investiert und plötzlich wird unser Plan aus welchem Grund auch immer über den Haufen geworfen. Wir sind dann gezwungen, uns von unserem Vorhaben zu verabschieden, es auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben oder auch nach Alternativen zu suchen.

Ich möchte jetzt nicht auf die Möglichkeiten eingehen, wie diese Zeit genutzt werden kann, welche Möglichkeiten bei Bedarf zur Gestaltung angeboten werden, denn dazu gibt es wohl schon genug Hinweise und Auflistungen und da ich dazu nicht wirklich Anregung brauche, bin ich hier auch nicht der optimale Berater. Daher will ich hier auch weniger auf die Aktivitäten eingehen, denn so eine besondere Zeit hat doch nicht nur Auswirkungen auf unsere Handlungen, darauf was wir jetzt machen müssen – wie etwa einen Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit tragen, einen Mindestabstand halten – was wir machen sollen – wie etwa zu Hause bleiben – was wir nicht machen dürfen – wie etwa eine größere Feier veranstalten -, sondern auch auf unser Gefühlsleben und unsere Stimmung oder auch auf die Stimmung zwischen den Menschen. Manches hätten wir wohl in dieser Form nicht erwartet und das kann sowohl im positiven als auch im negativen Sinn sein. Ich denke, es hat wohl bei fast jedem von uns etwas gegeben, das aufgrund dieser geänderten Situation und den damit verbundenen Einschränkungen nicht in der geplanten Form durchgeführt werden kann, sei es nun in den beruflichen Belangen, im familiären oder im sonstigen privaten Bereich. Die meisten haben wohl Änderungen oder Umplanungen, Anpassungen oder Absagen erlebt.

Manche haben sich vielleicht jahrelang engagiert und sich etwas aufgebaut, sind jetzt erfolgreich in ihren Beruf und haben quasi richtig Fuß gefasst und jetzt wird dadurch vieles von ihrer Aufbauarbeit oder vielleicht in manchen Fällen auch alles zunichte gemacht. Da kann dann natürlich zur Enttäuschung auch das Gefühl der Hilflosigkeit kommen – sie sehen sich dieser Situation ausgeliefert und haben keinen Einfluss auf die Gegebenheiten – oder eventuell der Ausweglosigkeit, weil sie keine Lösung für sich finden, weil sie keine Möglichkeiten für eine Verbesserung oder Änderung sehen. Alles Gefühle, die wohl in dieser ungewohnten Situation natürlich zulässig und sehr wohl auch verständlich sind.

Daneben bin ich auch total fasziniert, wie kreativ die Menschen bei diesen außerordentlichen Herausforderungen werden, welche ungewöhnlichen Ideen gefunden werden, welch wunderbare Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung geleistet wird.

Doch es gibt natürlich auch Anderes – vor wenigen Tagen hat es eine Bekanntgabe des Arztes gegeben, dass er aufgrund des Kontakts zu einer infizierten Person bis zum Testergebnis nicht zur Verfügung steht. Auch wenn ich eigentlich so gut wie nie zum Arzt gehe, ja auch wenn ich den Arzt in der nächsten Zeit auch voraussichtlich nicht benötigen werde, ist es trotzdem sehr eigenartig, nicht einmal die Möglichkeit dazu zu haben. Es ist doch bei uns selbstverständlich – ich habe Schmerzen und ich gehe zum Arzt, ich habe mich verletzt und ich gehe zum Arzt, ich brauche eine Impfung und ich gehe zum Arzt und plötzlich ist diesem ein Riegel vorgeschoben. Natürlich kann der Arzt auch mal in Urlaub sein und seine Ordination ist geschlossen oder eine Vertretung da, natürlich kann der Arzt selbst auch mal aus Krankheitsgründen seine Ordinationsstunden nicht abhalten – dennoch ist es in diesem Fall für mich eine andere, ganz ungewohnte Situation und das resultiert wohl daraus, dass hier etwas Unbekanntes im Spiel ist und etwas Unbekanntes kann schon mal etwas beunruhigen oder auch Angst verursachen.

Den ersten Gedanken, dass hier wirklich etwas Fremdes auf uns zukommt, etwas, das sich anscheinend nicht nur in der Fremde, irgendwo in irgendeinem Land abspielt, sondern das sehr wohl auch Auswirkungen auf uns haben wird, habe ich, als ich Anfang März die Nachricht höre, dass Österreicher nicht mehr in Israel einreisen dürfen. Was ist da geschehen? Was ist da los? Für mich war das momentan gar nicht wirklich realisierbar – wir Österreicher sind doch so ein kleines, friedliebendes Völkchen, das im Weltgeschehen keine wirkliche Bedeutung hat und eher so zufrieden vor sich hinlebt und dann sind wir in einem Land unerwünscht. Ja eigentlich, nicht nur unerwünscht – wir werden gar nicht ins Land gelassen. Obwohl Israel aktuell ohnehin nicht auf meinem Reiseplan steht, ist es doch ein etwas irritierendes Gefühl. Ich bin in diesen beiden Fällen zwar nicht eingeschränkt, ich habe aktuell keinen Nachteil erlitten, trotzdem ist im Hinterkopf ein bisschen das Gefühl von Beklemmung und Unsicherheit, auch wenn ich mir immer wieder vorsage, dass ich mir diesbezüglich keine Sorgen machen muss, dass alles so weit gut ist und ich auch in dieser Zeit schon Schönes erleben darf.

 

Dankbarkeit

Dankbarkeit ist wichtig für unser Leben, für unser Wohlbefinden – mit Dankbarkeit können wir uns so richtig bewusst machen, wie gut es uns geht, was wir alles haben, können und dürfen. Doch immer funktioniert dies mit der Dankbarkeit nicht so richtig. Das habe ich auch schon als Kind gemerkt – da marschiere ich von der Schule nach Hause und freue mich schon auf die Germknödel oder die Mohnnudeln oder den Kaiserschmarren – ja, ich war damals schon eine Mehlspeisenvernichtungsmaschine und habe dafür gerne jede andere Speise wie etwa Pasta asciutta oder Reisfleisch oder Gulasch stehengelassen. Also ich komme zu Hause an und was steht dann da auf dem Tisch? Wo bitte sind denn die leckeren Germknödel geblieben, die ich in Gedanken beim Heimweg schon verspeist habe?

Natürlich gelingt es mir nicht, meine Enttäuschung zu verbergen und da kommt auch schon der Kommentar meiner Oma „Sei froh, dass du so etwas essen kannst! Die Kinder in Afrika wären dankbar dafür und würden gerne mit dir tauschen.“ Mein erster Gedanke damals „Dann sollen sie das Essen doch gerne haben“ – ja, es ist mir sicher besser gegangen als manchen Kindern in Afrika, mir ist sehr wohl bewusst gewesen, dass wir in einem guten Land leben und dafür dankbar sein können, aber dies ist in diesem Moment nicht so wirklich zu mir durchgedrungen – ich hatte weiterhin Lust auf die Germknödel und die vorgesetzte Speise konnte dies einfach nicht ersetzen. Ich war dennoch frustriert und das Gefühl der Dankbarkeit wollte sich hier nach dieser Aufforderung auch nicht wirklich einstellen.

 

Hin und wieder wollen wir uns in Selbstmitleid suhlen, hin und wieder wollen wir uns mal der Frustration und dem Ärgern hingeben und ihn ausleben. Das ist auch immer mal wieder richtig und soll auch so sein. Alle Gefühle sind zulässig und meist auch gerechtfertigt, aber es ist halt doch ein wesentlicher Unterschied, ob ich mir und meinem Ärger quasi mal Luft mache oder ob ich ewig und noch zwei Jahre diesen Frust zum Mittelpunkt meines Lebens mache, immer wieder darüber sinniere, ihn immer wieder in den Gesprächen zum Thema mache. Denn dann fühlen wir uns wirklich schal und grau und einfach schlecht – daher diese unangenehmen Gefühle kurz zulassen und ausleben und sie dann in die Tonne treten und weg damit. Wir konzentrieren uns wieder auf das Wesentliche und auf das Schöne im Leben und zwar jetzt und gleich und wenn es für den Anfang noch so klein ist – vielleicht ist es der erste Schmetterling im Frühjahr, der gegen die Scheibe flattert, vielleicht ist eine besonders schöne Blume, die wir entdecken oder auch nur wunderbar strahlender Sonnenschein, der uns in den Augen blendet und uns dabei zum Lächeln bringt.

Es ist sicherlich nicht in allen Situationen immer leicht, wieder nach vorne zu blicken, vor allem derzeit, wo noch so viel im Ungewissen liegt, wo wir eigentlich nicht wirklich konkrete Pläne für die Zukunft fassen können, da wir ja noch gar nicht wissen, wie diese Zukunft wirklich aussehen wird, welche Auswirkungen und Nachfolgen wir noch erleben werden und was alles eintreten wird. Gibt es wieder eine uneingeschränkte Reisefreiheit? Dürfen wir uns wieder ohne Masken bewegen? Oder wohl eine der schlimmsten Vorstellungen: Wird uns die Corona-Pandemie noch ein weiteres Mal treffen? Wird es noch einmal einen Lockdown geben?

 

Planung

Aber es ist nun einmal so, wie es ist und es liegt einfach an uns, aus den gegebenen Möglichkeiten das Beste zu machen. Wir können uns zuerst einmal auf den aktuellen Tag konzentrieren – dieser Tag ist der erste Tag vom Rest unseres Lebens und er verdient es somit, dass wir ihn zu einem schönen, ja einen wunderbaren Tag machen. Also, Ärmel aufgekrempelt und ran ans Werk. Das soll jetzt natürlich keinesfalls als psychologische Beratung oder als Coaching oder was auch immer verstanden werden – es handelt sich hierbei um meinen ganz persönlichen Gedanken und diese kreisen halt in dieser außergewöhnlichen und für alle unbekannten Situation vermehrt um diese Thematik.

Denn um ehrlich zu sein – jeder konzentriert sich jetzt auf Corona; aber auch in den Zeiten vor Corona hat keiner von uns gewusst, wie viele Tage in seinem Leben er noch zur Verfügung hat, ob er nicht etwa in der nächsten Stunde in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, ob er nicht vielleicht stolpert und an der Kante unglücklich aufschlägt oder ob ihn irgendein anderer Schicksalsschlag trifft – wahrscheinlich nicht mit Auswirkung auf den gesamten Planeten, auf alle Menschen auf dieser Welt, aber dennoch für die Einzelperson oft tragisch genug. Also sind das auch Situationen, in denen eine weitreichende Zukunftsplanung wahrscheinlich nicht sinnvoll wäre und trotzdem haben wir das nächste Treffen mit Freunden geplant, wir haben uns eine neue Wohnung gesucht, wir haben uns für einen Job beworben oder auch über einen Urlaub nachgedacht.

 

Daher würde ich auch jetzt mal die nächsten Stunden, den nächsten Tag planen und in kleinen Schritten vorgehen. Was machen wir uns heute Leckeres zu essen? Welches spannende Buch lesen wir heute? Wohin geht unser Spaziergang? – Wenn es sich hierbei auf den ersten Blick um Kleinigkeiten handelt, dann können uns wir trotzdem schon wieder auf etwas freuen, auch wenn wir vielleicht noch keine großen Planungen vornehmen können.

Ein paar schöne Punkte auf Papier oder gedanklich notieren bringt uns schon einen anderen und sicher auch positiven Blick auf die Zukunft – einmal einen Fuß vor den anderen setzen, denn umso mehr wir uns mit Schönem befassen, umso mehr wir uns vielleicht auch nur in Gedanken mal wunderbare Dingen für die Zukunft ausmalen, desto angenehmer werden auch unsere Gefühle.

Ja, es liegt an uns, ob wir immer nur überlegen, was wir gerade nicht machen können, was aufgrund der vorgegeben Situation nicht möglich ist und uns dadurch in einen Strudel an negativen Überlegungen ziehen. Umso mehr wir danach Ausschau halten, was nicht gerade so läuft, wie wir es uns vorstellen, je mehr wir unser Augenmerk darauf legen, was gerade nicht optimal ist, umso mehr sehen wir Nachteile, umso größeres Gewicht erhalten sie und beeinflussen uns. Ich kann mir jetzt jeden Tag denken „Warum muss das gerade mir passieren?“, „Ich könnte es ansonsten jetzt so schön haben!“, „Wie ungerecht ist das doch alles!“, „Wieso läuft das bei mir schief?“, „Warum funktioniert bei den anderen alles so glatt?“, „Wenn ich etwas plane, dann funktioniert das nicht richtig!“

Wenn uns doch mal trübe Gedanken kommen, weil wir etwas nicht so planen können, wie wir wollen, weil vielleicht etwas unsere Vorstellungen kreuzt, dann können wir selbst entscheiden, wie wir dem Tag gegenüber treten, ob wir ihn quasi einfach über uns ergehen und verstreichen lassen oder ob wir ihn doch aktiv gestalten, ob wir ihm unsere Note aufdrücken und für uns bestmöglich gestalten, auch wenn er nicht ganz unseren Plänen entspricht. Jeder Tag ist ein Teil unseres Lebens, den wir nur einmal erleben und der dann für immer verstrichen ist, also warum ihn nicht mit möglichst schönen Momenten und Gedanken füllen und vielleicht auch ein bisschen in die Zukunft träumen.

Ich habe jetzt gerade bemerkt, dass ich euch heute ein richtiges Kuddelmuddel an Gedanken, keine Struktur und keine Sortierung, ein wildes Hin- und Herspringen bei den Überlegungen, wie sie mir gerade durch den Kopf gehen, geboten habe, aber ich hoffe, ihr könnt dennoch etwas damit anfangen und ich bin schon gespannt, was eure Erfahrungen sind: Welche Pläne sind bei euch durch diesen Virus durchkreuzt worden und wie geht ihr damit um? Plant ihr schon Vorhaben quasi für die Zeit danach oder ist euch alle noch zu ungewiss? Wie geht ihr generell mit der Situation um oder hat sich durch diesen Virus ohnehin nicht allzu viel in eurem normalen Ablauf geändert?