Gedankenplauderei

Lasst uns fasten! – Machst du mit?

Hongkong-Wonderfulfifty

Ich kann mir jetzt so richtig bildlich die entsetzten Gesichter von einigen bei dieser Überschrift vorstellen und gebe jetzt gleich mal Entwarnung – bitte keine Panik, ich will hier nicht den Moralapostel spielen, ihr könnt also beruhigt weiterlesen. Dies wird jetzt kein Beitrag über religiöses Fasten, aber da ruft auch schon das kleine Klugscheißerchen und will trotzdem seine Weisheiten dazu anbringen:
Das Fasten ist als Verzicht auf Nahrung definiert; das religiöse Fasten findet sich in allen Religionen und soll den Gläubigen helfen, ihren Glauben in den Vordergrund zu stellen, Buße zu tun und somit ihrem Gott näher zu kommen. Das Fasten ist auf einen bestimmten Zeitraum eingeschränkt – so dauert bei den Christen die Fastenzeit vom Aschermittwoch bis Ostern, dies ist heuer vom 26. Februar bis 11. April.

Gerade war doch erst Weihnachten und wir haben den Jahreswechsel gefeiert und schon nähern wir uns also mit Riesenschritten dem Frühlingsbeginn und natürlich den Osterfeiertagen. Was ist denn bloß mit dem heurigen Jahr los? Bereits die ersten Wochen der Fastenzeit sind auch schon wieder geschafft. Aber was bedeutet denn heute wirklich noch der Verzicht auf Speisen in der Fastenzeit?

Früher war für die Menschen der Genuss von Fleisch etwas Besonderes, es stand ja nicht immer zur Verfügung und wurde als besondere Köstlichkeit gesehen. So durfte dann an den Fasttagen kein Fleisch gegessen werden – wenn wir das heute betrachten, so gibt es ohnehin bereits viele Vegetarier oder Veganer, die sowieso das ganze Jahr kein Fleisch oder überhaupt keine tierischen Produkte zu sich nehmen. Daher wird das Fasten heutzutage auch gerne mal auf andere Genussmittel übertragen – es wird in der Fastenzeit nicht genascht, keine Süßigkeiten, keine Knabbereien, andere verzichten auf Alkohol oder auf Kaffee und an vielen zieht die Fastenzeit ohnehin einfach vorbei.

Aber in Bezug auf die Fastenzeit habe ich unlängst bei meiner Freundin eine wirklich interessante Aufforderung der anderen Art gelesen – diese betrifft nicht wie normalerweise die körperlichen Genüsse, sondern es geht um unser seelisches Wohlergeben: „Fastenzeit – Verboten: jammern, meckern und sudern!“

 

Humpelfuß und Wetterkapriolen

Als ich mir vor einigen Jahren den Knöchel gebrochen habe und dann mit einem Gipsfuss und Krücken ausgestattet war, dann war dies auch nicht unbedingt das, was ich mir vom Frühlingsbeginn erwartet hatte. Aber wenn ich jetzt jeden Morgen beim Augenaufschlag gleich mal meine Verletzung bedauert hätte, wenn ich gleich mal darüber nachgedacht hätte, was ich heute nicht machen kann, was mir aufgrund meines aktuellen Handicaps verwehrt ist, dann hätte das meine Lage in keinster Weise verändert.

Ich hätte trotzdem nicht mit beiden Beinen aus dem Bett springen können (OK, das ist etwas, das ich auch mit zwei gesunden Beinen nicht mache, im Gegenteil – der Start in den Tag erfolgt bei mir eher behäbig und gerne noch etwas in Trance, mit Schlaffalten im Gesicht und schlaftrunkenen Gliedermaßen), ich hätte nicht durch Wohnung tanzen können, ich hätte aber auch nicht einfach in die Dusche hopsen können, ich hätte nicht…. Ja, es sind eine Menge an Dingen, die man plötzlich nicht mehr machen kann, aber ein Lamentieren hätte für mich auch keine Verbesserung gebracht.

Unser Gehirn ist ja auch ein Gewohnheitstier und wenn ich etwas immer wieder in der gleichen Form mache, dann wird das so verspeichert und beim nächsten Mal läuft diese Aktion gleich mal automatisch ab wie etwa beim Schuhebinden. Ich habe diesen Vorgang einmal gelernt und brauche dabei jetzt nicht mehr nachzudenken, sondern diese Handgriffe können einfach nebenbei erledigt werden und werden automatisch ausgeführt. Wenn ich in die Schuhe schlüpfe, binden meine Hände sie zu. Wenn jetzt beim Aufwachen meine ersten Gedanken immer mein vorrübergehendes Handicap sind, dann wird dieser Vorgang ebenfalls automatisiert. Aufwachen heißt für das Gehirn – Jammern über die Situation, Sudern wegen des Gipsfußes und schon würde ich negativ in den Tag starten.

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Oder wir haben einen Ausflug geplant und dann schüttet es wie aus Kübeln – sicherlich ist das jetzt ärgerlich, aber auf die Gesamtheit gesehen doch nur ein kleiner Punkt in unserem Leben, der nicht ganz so verlaufen ist, wie wir es geplant hatten. Vielleicht findet sich ja ein Alternativprogramm, vielleicht gibt es etwas, das wir ohnehin schon immer machen wollten, aber keine Zeit dazu gefunden haben und wenn es das ist, einmal die übervolle Schublade auszuräumen und zu sortieren.

Daneben gibt es auch Menschen, die täglich stundenlang über das Wetter jammern können – es ist ihnen sowieso immer entweder zu kalt „Da friert man sich ja die Finger ab“ oder zu heiß „Diese Hitze bringt mich noch um“, zu nass „Immer dieser Regen“ oder zu trocken „Es wird endlich etwas Feuchtigkeit benötigt“, zu windig „Immer dieser Sturm, da kann man ja nicht mehr hinausgehen“ oder zu windstill.

 

Warum diesem Thema übermäßige Aufmerksamkeit schenken, wenn wir doch sowieso nichts daran ändern können? Warum diesem Thema so viel Spielraum in unserem Leben schenken? Warum diesem Thema die Möglichkeit, so viel Platz in unseren Gedanken und unserem Miteinander einzunehmen?

Sicherlich ist Manches ärgerlich und sicherlich lässt sich nicht immer etwas Positives finden, aber auch wenn wir uns immer wieder auf das Unangenehme konzentrieren, verbessert das unsere Situation nicht, sondern im Gegenteil, es vermiest uns unsere Stimmung immer mehr – zuerst sind wir enttäuscht, dass es nicht nach unseren Wünschen läuft, dann sind wir aber schon enttäuscht, weil uns der Tag enttäuscht hat, dann sind wir enttäuscht, weil wir selbst enttäuscht sind. Uii, das klingt jetzt schon etwas verworren, aber ich denke, ihr wisst, was ich damit meine – wir drehen uns im Kreis und landen schließlich in einer Endlosschleife der Enttäuschung, die sich immer weiter fortsetzt.

Und auch wenn wir uns über eine Sache noch so sehr ärgern, mit unserem Gejammere und Gesudere wird die Welt nicht besser und unsere Situation nicht positiver. Bei den meisten Menschen ist das eigentlich immer Jammern auf hohem Niveau (ein Ausdruck, den ich mir jetzt bei „Shopping Queen“ gemopst habe, zumindest fällt er mir dort immer mal wieder auf und ist mir daher auch wohl in Verbindung mit dieser Sendung in Erinnerung geblieben) und schlussendlich geht es doch vor allem darum, wie wir selbst eine Sache bewerten, ob wir prinzipiell gleich mal negativ eingestellt sind oder doch eher die positiven Punkt suchen

Manche Menschen meckern darüber, dass Rosen Dornen haben. Ich bin dankbar, dass Dornen Rosen haben.
(Alphonse Karr)

 

Aufmerksamkeitsheischerei

Um jetzt auf ein ganz aktuelles Thema einzugehen, das derzeit die Medien und viele Gespräche beherrscht – es geht um diesen Corona-Virus. Die erste Schlagzeile, die wir am Morgen hören – egal, welche Medien wir öffnen, überall sind die neuesten und dabei oft in Wirklichkeit unrelevanten Informationen als Headline angeführt, was ihnen aber eine scheinbare Wichtigkeit verleiht.

Ich will dieses Thema jetzt nicht herabspielen oder verniedlichen, aber für mein Verständnis wird hier etwas unnötige Hysterie verbreitet. Ist es wirklich notwendig zu wissen, ob in Buxtehude jetzt zwei oder drei Menschen von diesem Virus infiziert sind? Müssen wir wirklich wissen, wie viele Menschen in Hausquarantäne gesetzt sind?

Klar ist es wichtig, die Menschen über die Vorsichtsmaßnahmen aufzuklären, aber seien wir mal ganz ehrlich – das sind doch die gleichen Punkte, die wir auch in der Grippezeit berücksichtigen sollen. Die Hände gründlich waschen, vielleicht nach dem Aufenthalt in den Menschenmengen auch desinfizieren. Wenn wir jetzt im Vergleich vielleicht kurz einen Blick auf die Grippesaison werfen, da wird uns auch nicht jeden Tag mitgeteilt, wie viele Menschen mit Grippe infiziert sind, wie viele erkrankt sind und trotzdem sind davon jedes Jahr Abertausende betroffen und es sterben auch immer wieder vor allem ältere und kränkliche Menschen daran.

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Mittlerweile führt diese ständige Nachrichtenpräsenz über den Corona-Virus und in den meisten Fällen nicht der Virus selbst in unserem alltäglichen Leben schon zu sehr negativen Auswirkungen und diesen wirklich für mich unverständlichen Hamsterkäufen.

Aufgrund dieser derzeitigen Situation ist auch der Besuch unseres Familienmitglieds in Japan in den kommenden Monaten in der Schwebe. Natürlich sind wir darüber enttäuscht und vielleicht auch etwas besorgt, aber es bringt doch nichts, wenn ich jetzt den ganzen Tag darüber lamentiere. Deswegen werden die Menschen nicht weniger infiziert, deswegen gibt es nicht weniger Erkrankungen, deswegen verändert sich auch nicht die Anzahl der Flüge oder die Einreiseverordnungen in den verschiedenen Ländern. Im Gegenteil, das trägt doch dazu bei, dass sich unsere Enttäuschung noch vergrößert, wenn wir das Augenmerk immer wieder darauf lenken, dass etwas nicht nach unseren Wünschen oder Vorstellungen abläuft. Wir ärgern uns vielleicht immer wieder, wenn wir dies immer wieder bereden, immer wieder den anderen Menschen erzählen und uns somit immer mehr darauf konzentrieren.

 

Nervende Zeitgenossen

Jammern und Nörgeln macht aber auch ungesellig – ich denke da gleich mal an einen ehemaligen Arbeitskollegen. Wenn wir etwa alle gemeinsam essen gegangen sind und auch alle die gleichen Speisen gegessen haben, dann gab es für ihn sicherlich immer einen Anlass über sein Gericht zu meckern – seines war nicht so warm wie das der Anderen, bei seinem war zu viel Gewürz oder auch mal zu wenig Gewürz drinnen, er hat das kleinste Knödel bekommen, er hat das fetteste Stück Fleisch bekommen, sein Glas war nicht so voll wie das der anderen. Sicherlich ist das ein subjektives Empfinden, aber er findet immer wieder etwas, worüber er sich beschweren kann, was er kritisieren kann, wo er sich benachteiligt fühlt, wo er es wieder schlechter getroffen hat als die anderen.

Bereits beim ersten Zusammenkommen in der Früh ist er schon wieder über etwas frustriert, vielleicht ist er in den Öffis neben einer redseligen Frau gesessen, vielleicht hat ihn ein Kind angerempelt, vielleicht ist der Akku bei seinem Handy leer und wie sein Tag mit Meckern über Alltägliches beginnt, so geht es weiter bis zum Schlafengehen und seine Mitmenschen werden mit seinem Gejammer ständig bedacht. Meine Oma würde jetzt gleich mal sagen: „Hauptsoch, er hot wida wos zan modschgan!“
Für alle Nichtösterreicher schnell noch eine kurze Aufklärung: modschgan heißt seinen Unmut äußern, sich über etwas beschweren oder jammern.

Ja, es gibt diese Menschen, die meckern über alles und jeden und manchmal hat man da fast schon den Eindruck – sie jammern schon, bevor sie wissen, was kommt oder worum es überhaupt geht: Hauptsache, sie können jammern. Sie machen mit ihrem Gemeckere und Gesudere nicht nur sich selbst unzufrieden, sondern werden auch zu einem unguten Zeitgenossen. Denn wer entscheidet sich schon freiwillig dazu, mit jemandem Zeit zu verbringen, der immer nur rumjammert, dem nichts passt, dem niemand etwas Recht machen kann, der immer und überall etwas auszusetzen hat. Ja – Dinge, die andere lieben oder gerne machen, werden ihnen durch diese ständige Nörgelei verleidet und sie ziehen sich sicher nach Möglichkeit von dieser Person zurück.

Das soll jetzt natürlich keine Aufforderung sein, unsere Probleme, unsere Sorgen oder Bedenken, unseren Kummer anderen nicht mehr mitzuteilen. Aber es ist doch sehr wohl ein Unterschied, ob wir jemanden einmal von unserem Sorgen um den Vater erzählen oder ob wir täglich über unseren Arbeitsplatz sudern.

 

Wem das noch nicht genug Gründe sind

Für alle, für die das noch nicht genug Gründe sind, um dem Jammern und Nörgeln etwas zu entsagen, habe ich jetzt noch eine kleine Draufgabe. Dazu spiele ich jetzt ein bisschen Gehirnforscher und kraxle dazu in eure Köpfe rein und was finde ich da – da gibt es doch diesen Hippocampus. Und was macht dieser Hippocampus so den lieben langen Tag, womit vertreibt er sich die Zeit? Er ist ein ganz neugieriges und fleißiges Kerlchen und sammelt das Wissen, nimmt die Neuigkeiten auf und speichert sie im Gedächtnis ab.

Doch er ist auch ein kleines Sensibelchen und mag die Jammerei so überhaupt nicht. Was ist eine Reaktion auf unangenehme Dinge? Ein Rückzug und ein Abwenden und wie in einer Studie an der Stanford University festgestellt worden ist, macht sich der Hippocampus dann klein und beginnt zu schrumpfen. Also, wenn dich das nächste Mal das Gedächtnis im Stich lässt oder du wieder einmal etwas vergessen hast, dann liegt dies vielleicht doch am „Modschgan“.

Dubai-Wonderfulfifty

Wie sieht es jetzt mit dir aus? – Bist du dabei beim „Meckernfasten“? Vielleicht ist ja auch interessant, mal einen Tag so eine Stricherlliste zu führen, wie oft wirklich unnötig gejammert und gesudert wird. Vielleicht können wir auch analog zum „Jasager“ zum „Positivsager“ werden, denn ich bin mir sicher, dass sich in vielen Situationen in unserem Leben, die zuerst negativ oder enttäuschend wirken, positive Aspekte finden lassen. Ups, jetzt habe ich mir doch glatt in meinem Schreibeifer die Hose mit dem Tee angeschüttet – und nein, ich denke jetzt nicht „So ein Schmarrn, warum muss mir das jetzt passieren?“, sondern ich versuche zumindest meine Gedanken positiv zu lenken „Was für ein Glück, dass der Tee auf der Jeans und nicht auf der weißen Bluse gelandet ist“.

Ich freue mich jedenfalls schon jetzt total auf deine Erfahrungen und Meinungen und es sind natürlich auch kritische Anmerkungen erlaubt, nur kein Gemeckere 😉