Gedankenplauderei

A nice compliment? – Will ich das hören?

Neusiedlersee-Wonderfulfifty

Ehrlich gemeinte Komplimente sind etwas Wunderbares und können uns regelrecht den Tag verschönern. Ja, wer hört nicht gern ein paar wirklich anerkennende Worte? Das hast du toll gemacht! Dein Kleid ist wunderschön! Deine Empfehlung war perfekt! – Kleine Anmerkungen zwischendurch oder auch ein umfassendes Kompliment erfreuen doch, zaubern ein Lächeln ins Gesicht oder bringen überhaupt ein Strahlen. Also nur positive Auswirkungen, nur erfreuliche Reaktionen, hier kann doch nichts falsch gemacht werden oder doch?

Unlängst sind wir abends in einer kleinen gemütlichen Runde zusammengesessen und es wurde über alles Mögliche geplaudert, angefangen von den Allerweltsthemen wie das Wetter ging es über den Beruf, die Gesundheit, die Wochenendaktivitäten zu nachdenklicheren Punkten, es wurde – wie man so schön sagt – über Gott und die Welt geredet und diskutiert. Da ergab es sich im Laufe des Gesprächs zwischendurch, dass eine Bekannte eine kurze Anmerkung bezüglich ihrer Masterarbeit machte und einen Punkt daraus erwähnte. Ein anderer kommentierte dies mit den Worten: „Du hast den Master gemacht? Ich wusste gar nicht, dass du so ein Wiffzack bist.“

Doch unsere Bekannte scheint mit dieser Aussage nicht einverstanden zu sein – irgendwie wirkt sie unzufrieden oder vielleicht auch irritiert. Als wir uns dann kurz ungestört unterhalten, erklärt sie mir: Soll das ein Kompliment sein? Was will er mit dieser mit diesen Worten wirklich ausdrücken? Was soll diese Aussage nun konkret bedeuten? Soll das heißen, dass er glaubt, ich bin nicht besonders intelligent? Hatte er mir diese Ausbildung nicht zugetraut? Meint er, dass es verwunderlich ist, dass ich die Masterprüfung geschafft habe?“

So äußert sie ihre Bedenken und Zweifel an dem „Kompliment“. Ja, wie war es nun wirklich gemeint? War es tatsächlich nur vielleicht etwas unglücklich formuliert? Hat unsere Bekannte ungewollte Interpretationen in diese Aussage gelegt und dieses Kompliment einfach falsch verstanden oder liegen hier wirklich andere Gedanken zugrunde? Eine Aussage, die auf den ersten Blick wahrscheinlich für die meisten eher positiv wirkt, hinterlässt hier also einen etwas bitteren Nachgeschmack.

 

Gut gemeint heißt nicht gut gemacht – das gilt auch für Komplimente

Da gibt es Menschen, die wollen anderen eine Freude machen, die wollen eine Leistung, das Aussehen, etwas im Zusammenhang mit einer Person besonders hervorheben. Doch hin und wieder führt dieses doch gut gemeinte Vorhaben eher zum Gegenteil.

Neusiedlersee-Wonderfulfifty

„Du kannst so etwas in deinem Alter auch noch wunderbar tragen“ – ist wohl als Kompliment gemeint, wollen aber wahrscheinlich nicht alle so wirklich hören. Denn irgendwie schwingen doch hier ein paar leicht missverständliche Aussagen mit. Was können ältere Menschen leicht ansonsten nicht tragen? Wie haben sie sich denn ansonsten zu kleiden? Was macht aus mir hier eine Ausnahme vom Durchschnitt, dass ich es doch noch tragen kann? So quasi: Du bist zwar alt, aber es ist OK, wenn du das trotzdem anziehst.

Doch auch die Aussage „Du siehst toll aus – ich hätte dich fast nicht erkannt“ kann eventuell zwiespältige Gefühle hervorrufen. Soll das heißen, ich sehe im Normalfall nicht gut aus? Wirke ich ansonsten unattraktiv? Bin ich normalerweise nicht ansprechend? Was ist sonst mit meinem Aussehen? Eine Aussage, die einfach auf verschiedene Arten vom anderen aufgefasst werden kann.

Was ist denn von dem Kompliment „Das ist für dich eine großartige Leistung“ zu halten? Es wird zwar eine großartige Leistung erwähnt, aber ein Mensch, der so etwas hört, kann dabei sicher leicht auf den Gedanken kommen: Eigentlich ist es eine miserable Leistung, eigentlich wird hier nichts Tolles geschaffen – doch weil von mir ohnehin keine gute Arbeit erwartet wird, weil ich für die anderen ohnehin unfähig für diese Aufgabe bin, ist die Leistung doch nicht so schlecht, natürlich nur bezogen auf meine Person.

Den Menschen ist hier vorab wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass ihre Aussage auch anders verstanden werden kann, dass sie eventuell doch ganz anders ankommt, als sie eigentlich gedacht ist. Hier ist der Grundgedanke gut gemeint, aber an einer idealen Ausführung hapert es vielleicht ein wenig und so kommen diese Worte dann auch nicht als echte Bewunderung bei dem Anderen an.

 

Komplimente falsch verstehen

Manche Menschen scheinen außerdem eine besondere Gabe dafür zu haben, bewusst solche Aussagen in den falschen Hals zu bekommen – sie können sich nicht einfach über eine Anerkennung, egal in welcher Form, freuen, sondern da beginnt ihr Gedankenkarussell zu laufen und die Zweifeldämone sind in Hochform. Sie grübeln in alle Richtungen, ob diesem Kompliment nicht doch etwas Anderes zugrunde liegt, ob hier vielleicht nicht doch etwas Anderes gemeint ist. Sie sehen nicht das eigentliche Kompliment, sondern bei ihnen kommt diese Aussage ganz anders an.

Da wird es dann total schwierig, etwas Anerkennendes anzubringen, da jedes Wort gerne sofort misstrauisch hinterfragt wird. So kann hier eine einfache Aussage wie etwa „Dein Kuchen ist ja total lecker“ bei ihnen zu Überlegungen führen von „Soll damit indirekt ausgedrückt werden, dass mein sonstiges Essen nicht schmeckt?“, „Sind meine anderen Kuchen nicht gut?“ bis „Ich sollte besser nichts mehr backen – ich bin einfach keine gute Köchin“.

Neusiedlersee-Wonderfulfifty

Ja, im Extremfall wird dieses Kompliment dann sogar als Kritik aufgefasst und der eigentliche Sinn der Aussage geht dadurch komplett verloren, eine wirklich ehrlich gemeinte Anerkennung verliert ihren Wert, weil dem Empfänger dazu das Vertrauen fehlt sowohl das Vertrauen in die eigene Leistung und das eigene Urteil als auch das Vertrauen in die anderen. „Ist das wirklich ehrlich gemeint? Schmeckt der Kuchen wirklich so gut? Ich kann das nicht glauben.“ – vielleicht haben sie schon öfters positive Aussagen über sich gehört, die aber nicht ehrlich gemeint waren, vielleicht sind sie deshalb Komplimenten gegenüber immer etwas skeptisch, vielleicht fehlt ihnen aber einfach nur das entsprechende Selbstverstrauen, vielleicht zweifeln sie ständig an sich selbst, trauen sich nichts zu, finden ständig etwas an sich selbst auszusetzen und können auch ein ehrlich gemeintes Kompliment nicht für wahrnehmen.

 

Komplimente mit Hintergedanken

Natürlich werden von manchen Menschen Komplimente auch bewusst eingesetzt, um mit diesen dann regelrechten Pseudo-Schmeicheleien eigene Ziele zu erreichen. Damit sind jetzt nicht so offensichtliche Aussagen wie etwa von Verkäufern gemeint – „Dieser Blazer passt Ihnen perfekt“, egal wie der Kunde wirklich darin aussieht. „Sie haben einen ausgezeichneten Geschmack“, auch wenn eine Kombination die Haare leicht zu Berge stehen lässt.

Es gibt auch sonst nicht wirklich ernst gemeinte Komplimente, so etwa beim Einstieg in eine Verhandlung, beim Anbahnen eines Verkaufsgesprächs – hier wird der anderen Partei doch gerne mal „Honig um den Mund geschmiert“, da wird alles Mögliche an dem anderen gelobt und anerkennend erwähnt, alles Mögliche vom anderen wird bewundert. Doch dahinter steht in diesem Fall keineswegs ein ehrlich gemeintes Kompliment, diese anerkennenden Pseudo-Aussagen haben schließlich dabei nur ein Zweck, der Kunde oder der Verhandlungspartner soll positiv gestimmt werden, es soll für den anderen eine angenehme Atmosphäre geschaffen werden, damit sich dieser leichter von einem Kauf überzeugen lässt, damit dieser leichter in die Bedingungen einwilligt.

Daneben gibt es Menschen, die kommen mit der Aussage „Du hast das unlängst so toll gemacht – das machst du dieses Mal auch wieder“. Ja, was soll denn das sein – eine Anordnung, die durch ein Kompliment abgeschwächt werden soll, die den Beauftragten gleich mal positiv stimmen soll. Hier geht es im eigentlichen Sinne ja gar nicht um die Anerkennung einer Leistung; es wird nicht wirklich die Arbeit gelobt, sondern es soll hier indirekt gleich eine Aufforderung vermittelt werden. Das Kompliment dient dabei eigentlich nur als Vorwand, um eine Aufgabe zu verteilen. Andererseits kann so eine Aussage für den Betroffenen auch großen Druck ausüben – er bekommt das Gefühl, er muss dieser – vielleicht auch vorgeschobenen – Anerkennung entsprechen, er muss diese Erwartungen der anderen auch in Zukunft immer erfüllen. Solche Worte erzeugen dann nicht wirklich Wohlbefinden und bringen dem anderen keine Freude, sondern sie werden eher als Belastung gesehen.

 

Das will doch keiner hören!

Es gibt aber auch eine Art von „Komplimenten“, die bei den meisten nicht wirklich beliebt ist. „Für eine Frau fährst du ziemlich gut“ – was wir mit dieser Aussage denn tatsächlich ausgedrückt? Es kann jemand gut mit einem Auto umgehen, das erwartet aber eigentlich keiner von einer Frau? Bei einem Mann wäre das nicht erwähnenswert, sondern selbstverständlich? Wird hier nicht auch prinzipiell gleich mal allen Frauen ein Fahrverständnis abgesprochen? Wenn das gute Fahrkönnen betont werden soll, dann reicht die Aussage „Du fährst gut“ – diese geschlechterspezifische Anspielung ist hier nicht wirklich notwendig und angebracht.

Neusiedlersee-Wonderfulfifty

Manchmal wird dies jedoch noch fortgesetzt und es kommt schließlich immer mal wieder zu schlüpfrigen Äußerungen. Wenn jemand ein Kompliment ausspricht, dann soll sich der andere doch dadurch in irgendeiner Form bestärkt und damit auch besser fühlen. Er anerkennt mit seiner Aussage den anderen, dessen Leistung, dessen Handlungen, dessen Aussehen oder was auch immer. Wenn diese Worte dann aber zu unangenehmen Pseudo-Schmeicheleien führen, dann fühlt sich der Empfänger dadurch belästigt und unwohl. In diesem Fall ist dann eine gewisse Grenze überschritten und das braucht doch keiner hinnehmen. Ja, hier ist keine falsche Scham angebracht und es sollte sich dann auch keiner scheuen, kein klares „Nein“ zu sagen und das „Kompliment“ mit deutlichen Worten zurückzuweisen.

 

Was ist mit den anderen?

All diese Überlegungen sollen uns jedoch jetzt natürlich nicht davon abhalten, ehrliche Komplimente auszusprechen und anderen Anerkennung zu schenken. Nein, im Gegenteil – Komplimente sind doch toll für unser Zusammenleben und zwar sowohl für uns als auch für unsere Mitmenschen.

Wenn wir jemandem ein Kompliment machen, dann heben wir doch irgendetwas im Zusammenhang mit einem anderen besonders hervor. Wir betonen etwas Positives und konzentrieren uns darauf; wenn wir explizit danach suchen, wofür wir anderen eine Anerkennung aussprechen können, dann werden wir immer mehr wunderbare Dinge an unseren Mitmenschen entdecken. Die schlechten oder negativen Seiten an unseren Mitmenschen werden dadurch natürlich nicht weniger, aber sie stehen nicht mehr im Mittelpunkt und erhalten nicht mehr die gezielte Aufmerksamkeit. Wenn wir dann noch ein bisschen auf die Formulierung achten, dann kann doch nichts mehr schiefgehen.

 

Was ist mit uns?

Aber auch bei den Komplimenten, die uns selbst betreffen, können wir eventuell etwa aufmerksamer sein und diese auch bewusst wahrnehmen anstatt einfach als Nebensächlichkeit sehen oder sie vielleicht gar abzuwinken und nicht ernst zu nehmen. Dann erkennen wir vielleicht, dass wir doch öfter Anerkennung erhalten als wir dachten.

Komplimente helfen uns doch dabei, die Aufmerksamkeit entsprechend zu fokussieren und sie weg von vermeintlichen Fehlern auf unsere Stärken, auf unsere Vorzüge, auf unsere Leistungen zu lenken. Dies kann natürlich durch ein wunderbar formuliertes Kompliment erfolgen, das können auch nur ein paar kurze Worte zwischendurch sein und das kann durch eine einfache Geste sein. Wenn uns jemand anerkennend zunickt, wenn uns jemand ein Daumen-Hoch andeutet und natürlich nicht zu vergessen, wenn uns jemand lobend auf die Schulter klopft, dann sind das im Wesentlichen doch auch Komplimente, die wir von anderen Menschen erhalten. Ja, es ist schön, wenn wir auch solche „Kleinigkeiten“ als Anerkennung sehen, wenn wir uns das auch explizit bewusst machen.

Doch es gibt da noch einen weiteren Punkt, den wir auf der „Suche“ nach Komplimenten im Alltag nicht übersehen sollten. Manchmal verstecken sie sich nämlich sehr gekonnt unter scheinbar allgemeinen Aussagen oder auch Kritiken. Wenn uns jemand um Rat fragt, dann zeigt das doch, dass er diesbezüglich Vertrauen zu uns hat, dass er sich auf einen guten Vorschlag von uns verlässt, dass er davon ausgeht, dass wir wissen, was passt und richtig ist – auch wenn er dies nicht explizit sagt.
Sagt eine Person zu uns „Von dir hätte ich das besser erwartet“, dann hört sich das natürlich auch den ersten Blick als Kritik an, doch wenn wir nur kurz überlegen und nach etwas Positivem in dieser Aussage suchen, dann wird doch indirekt auch ausgedrückt, dass wir im Normalfall immer richtig gut sind, dass wir das ansonsten immer toll machen, dass eben Besseres von uns gewohnt ist. So einfach ist das manchmal und schon wird diese Kritik auch zu einem Kompliment.

Neusiedlersee-Wonderfulfifty

Es liegt aber auch an uns, wie wir die Komplimente bewerten, wie sehr wir sie auf die Waagschale legen und wie sehr vielleicht auch bewusst nach einem eventuellen Hintergedanken suchen. Ja, es gibt Komplimente, die zwar gut gemeint sind, uns aber in dieser Form nicht wirklich „schmecken“, die zwar etwas Positives ausdrücken sollen, aber aufgrund der gewählten Worte leider einen etwas irritierenden Eindruck vermitteln. Das wollen wir zwar nicht hören, ist aber dennoch nett gemeint – also warum dann nicht das Positive aus der Nachricht herausfiltern und das andere negieren, warum uns nicht in diesem Fall auf das Schöne an den Komplimenten konzentrieren und über ein paar etwas unglückliche Ausdrücke einfach hinwegsehen.

Also freuen wir uns an den ehrlichen Komplimenten, lassen wir uns von den „faulen Eiern“ nicht den Tag verderben, sondern stehen wir darüber und lächeln wir unseren Missmut weg.

 

Doch jetzt bist du am Zug: Welche Erfahrrungen hast du mit Komplimenten oder auch mit Nicht-Komplimenten gemacht? Was war das schönste Komplimente, das du gehört hast? Bist auch schon einmal auf eines mit einem bitteren Nachgeschmack gestoßen?

Ich freue mich immer total über eure wunderbaren Kommentare, über die tollen Diskussionen und die interessanten Anmerkungen und das ist ein wirklich ehrlich gemeintes Kompliment.