Gedankenplauderei

It’s good for you – gut gemeint!

Volksoper

Es gibt immer wieder so Aussagen, die eindeutig zweideutig sind, die zwar augenscheinlich etwas ganz Bestimmtes vermitteln wollen, aber im Hintergrund doch vielleicht mit etwas Anderem verbunden sind. Auch kommen immer wieder Sätze, die von den Menschen unterschiedlich verstanden werden, jeder interpretiert sie nach seinen Erfahrungen, nach seinen Erlebnissen, seinen Gedanken. So kann es, trotzdem sich zwei Menschen gut verstehen, sich gut kennen, auch zu Missverständnissen, zu unterschiedlichen Auffassungen kommen. Obwohl sie genau zu wissen glauben, was der andere mag, ist das Resultat schlussendlich doch nicht zufriedenstellend.

So kam letzte Woche mein Patenkind ganz verzweifelt zu mir – während es auf Schikurs war, haben seine Eltern seinen etwas desolaten Schreibtischsessel durch einen neuen ersetzt. Ganz unglücklich berichtet mein Patenkind vom Vorgehen seiner Eltern „Ich möchte meinen alten Sessel wiederhaben, der neue Sessel sieht unmöglich aus – damit mache ich mich ja zum Gespött meiner Freunde. Dann kommt Papa damit daher, dass er es gut gemeint hat, dass der neue Sessel besser für mich ist, dass er den Rücken schont und für die Haltung gut ist und so Zeugs. Davon habe ich leicht was, wenn ich mich dafür vor den anderen schäme? Außerdem hat der alte Sessel so richtig zu mir gehört und der neue bringt’s gar nicht“.

So ging das Lamentieren eine Zeit lang dahin – der Vater wollte seinem Sohn eine Freude machen, er hat es gut mit ihm gemeint und das ist leider gründlich schiefgegangen.

 

Gut gemeint!

Wenn wir uns diese Worte „es gut meinen“ genauer anschauen, so bedeutet gut doch positiv, schön oder in Ordnung. In Kombination mit meinen, können wir dies umschreiben oder erklären mit „etwas Angenehmes wollen“, „für andere etwas Schönes machen“, vielleicht auch „hilfsbereit sein“ oder „fürsorglich sein“ und das natürlich mit bester Absicht.

Da sagen wir etwa nach einem Ausflug „Das Wetter meinte es gut mit uns“ und damit meinen wir: wir hatten strahlenden Sonnenschein für den Spaziergang, es hat uns kein Regen überrascht und durchnässt, kein starker Wind hat uns die Haare verweht, es waren optimale Bedingungen oder einfach ein Traumwetter, also auf jeden Fall impliziert diese Aussage etwas Positives.

Oder die Nachbarn berichten nach dem Urlaub „Die Gastgeber meinten es gut mit uns“ und beschreiben damit, dass sie gut umsorgt wurden, dass sie schöne Zimmer hatten, dass sie leckeres Frühstück bekommen haben, dass sie sich wohlfühlten und eine schöne Zeit hatten.

 

Volksoper

 

Wie ist das jetzt mit dem „gut meinen“ – ist das gut? Ist das schlecht? Welche Auswirkungen kann also gutgemeintes Handeln bringen?

 

Freude und Wertschätzung

Wenn es jemand gut mit uns meint, wenn er uns etwas Gutes tut, sei es, dass er uns eine Arbeit, eine Aufgabe abnimmt, dass er für uns Erledigungen macht oder auch dass er uns die Tür aufhält, wenn wir uns vollbeladen nähern, dann freuen wir uns über diese Geste. Dabei kann es sich um einen vertrauten Menschen handeln, um einen Bekannten, aber auch um einen Fremden.

Wir merken an dieser Handlung jedenfalls, dass sich dieser Mensch Gedanken über uns macht, dass er auf uns eingeht und sieht, was wir gerade brauchen können, welche Unterstützung uns guttut, wie er uns helfen kann. Durch dieses Verhalten zeigt er uns auch seine Wertschätzung, wir fühlen uns durch seine Handlungen geachtet und wahrgenommen und schätzen dies.

 

Wohlbefinden und Dankbarkeit

Es gibt so viele Situationen in unserem Leben, in denen es Menschen mit uns gut meinen und sie uns Gutes tun, wenn wir krank sind und jemand bereitet uns köstliches Essen zu, wenn wir unsere Freundin treffen und sie hat ein neues Buch für uns, wenn wir zu Hause ganz unerwartet eine Tafel köstlicher Schokolade vorfinden, dann sind das schöne Momente für uns.

Wir sind dadurch zufrieden und glücklich sind, wir fühlen uns dabei einfach wohl und natürlich sind wir diesen Menschen für ihr gutgemeintes Handeln dankbar. Sie bereichern doch durch ihre gutmeinten Handlungen einfach unser Leben.

 

Schutz

Manche Menschen wollen andere in gutgemeinter Absicht vor etwas schützen, sie versuchen Leid von anderen fernzuhalten oder abzuwenden, wie etwa eine Bekannte, als es bei ihr zur Scheidung kam.

Sie hat die Kindern dabei nicht von Anfang über die Wahrheit aufgeklärt und sie nicht mit den Tatsachen konfrontiert, sondern ihnen quasi scheibchenweise mitgeteilt, was sich in einzelnen Situationen nicht mehr verbergen ließ. Durch dieses Vorgehen wollte sie ihre Kinder schonen und sie vor plötzlichen großem Leid bewahren; sie wollte ihnen so viel wie möglich von der Realität ersparen und ihnen dadurch die Möglichkeit geben, sich langsam und in einem eigenen Tempo an die neue Situation zu gewöhnen.

 

Volksoper

 

Druck und Verpflichtung

Bei vielen uns sehr nahe stehenden Personen wie Eltern, Freunde ist uns klar, dass ihre Handlungen meist gut gemeint sind. Doch auch dabei kann es zu unangenehmen Situationen kommen, wie etwa beim Sessel meines Patenkindes. Da erwarten die Eltern vom Kind doch eigentlich Freude und Dankbarkeit – es soll sich für die Mühe, die gutgemeinte Tat bedanken, auch wenn es innerlich aufschreit und mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Die Eltern sind dann vielleicht sogar noch gekränkt und beleidigt, weil ihre gutgemeinte Handlung in ihren Augen nicht entsprechend geschätzt wird – sie können das Verhalten des Kindes nicht fassen, denn sie sind der Meinung, sie selbst sind doch so gut und machen alles für ihr undankbares Kind.

Der Betroffene wird in solchen Situationen unter Druck gesetzt – er sieht ja hinter allem die eigentlich gute Absicht und will die Handelnden nicht wirklich vor den Kopf stoßen und setzt sich damit auch noch der Verpflichtung aus, Wertschätzung für eine unerwünschte Handlung zeigen zu sollen.

In dieser Situation fühlen sich schließlich beide nicht wohl, der Ausführende ist enttäuscht, weil seine Handlung nicht die entsprechende Resonanz gebracht hat, der Erhaltende hat ein schlechtes Gewissen, weil er mit dieser Handlung nicht zufrieden ist oder nichts anfangen kann.

 

Übergriffiges Verhalten

Doch bei manchen Menschen geht dies sogar noch weiter – sie schmollen nicht wegen einer gutgemeinten Handlung, die nicht entsprechend angekommen ist, sondern sie wirken ständig und penetrant auf die andere Person mit ihren eigenen Vorstellungen ein. Sie sind der Meinung, sie wissen genau, was für den anderen das Richtige, das Beste ist. Auch wenn der andere zu verstehen gibt, dass dies eigentlich nicht seinen Wünschen und Bedürfnissen entspricht, dann bleiben sie dennoch bei ihrer Meinung und bedrängen den anderen regelrecht, denn sie glauben, dass ihre Vorstellung für den anderen geeigneter ist als seine eigenen.

Dieses Vorgehen begründen sie schließlich mit ihrer Fürsorglichkeit, mit ihrer Zuneigung – sie wollen den anderen damit manipulieren, indem sie im zu verstehen geben „Ich meine es doch nur gut – du kannst hier ja gar nicht abschätzen, was wirklich das Beste für dich ist“.

In ihrem Verhalten sind sie dabei nicht wirklich liebevoll und fürsorglich, sondern eigentlich respektlos dem anderen gegenüber. Ihrer Meinung nach sollen ihre gutgemeinten Ratschläge unter allen Umständen befolgt, ihre Vorschläge umgesetzt werden, egal wie der andere dies empfindet, denn sie sind ja pflichtbewusst und meinen es schließlich gut mit ihm.

 

Selbstbestätigung

Andere Menschen sind hingegen von ihrem Handeln so sehr überzeugt, dass sie sich überhaupt nicht fragen, ob ihr Vorgehen für den anderen wirklich gut ist, ob es ihm wirklich hilft und ihn wirklich unterstützt. Sie sind der Meinung, dass alleine ihre gutgemeinte Absicht sie zu ihrem Handeln berechtigt – „Ich meine es ja gut und daher darf ich das machen!“

Ja, diese Menschen fühlen sich dann bestärkt, wenn sie für den anderen etwas tun, wenn sie etwas für ihn machen, unabhängig, davon ob dieser das will, braucht, ob es ihm nützt oder ob er sich durch diese gutgemeinte Verhalten eher unwohl und bedrängt fühlt und es eher zum Nachteil für den anderen ist. Für diese Menschen ist ihr Handeln eine Selbstbestätigung, sie fühlen sich gebraucht, sie fühlen sich wichtig auf Kosten des anderen.

 

Gut gemeint kann also sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben und nicht umsonst hören wir oft: gut gemeint ist nicht immer gut getan; ja, manchmal ist gut gemeint sogar das Gegenteil von gut getan. Ohne besondere Aufmerksamkeit, ohne Einfühlungsvermögen und entsprechendes Eingehen auf den anderen können hier viele Missverständnisse entstehen.

Jemandem etwas Gutes tun zu wollen, es gut mit ihm meinen, ist grundsätzlich ein positives Ansinnen, ein schönes Vorhaben. Wir dürfen dabei jedoch auch den anderen Menschen nicht übersehen, sondern sollen auf seine Vorstellungen und Wünsche eingehen und vor allem bedeutet es noch lange nicht, dass etwas, das wir für gut befinden auch der andere genauso sieht.

Wir sollten uns hier davon verabschieden, dass wir von uns auf andere schließen, das fängt bei kleinen Dingen wie beim Essen an, setzt sich in der Kleidung und in der Wohnumgebung fort. Aber auch in den Berufsvorstellungen können sich die Prioritäten unterscheiden und nur weil wir einen Jobangebot gut finden, muss es für den anderen auch passen, nur weil wir eine Kleidung toll finden, muss sie dem anderen auch gefallen. Wie wir Menschen unterschiedlich sind, so bedeutet auch „gut“ für jeden einzelnen etwas Anderes und das sollten wir etwas im Hinterkopf haben, wenn wir es mit anderen gut meinen oder wenn andere es mit uns gut meinen.

 

So und jetzt erzählt ihr doch mal:

Ist es euch schon einmal passiert, dass ihr etwas gut gemeint habt und dies leider nicht so angekommen ist? Ist vielleicht durch euer gutgemeintes Vorhaben sogar ein Schaden entstanden ist? Oder hat es jemand mit euch besonders gut gemeint und ihr habt euch dabei aber gar nicht wohlgefühlt? Wie können wir die Diskrepanz zwischen gut gemeint und gut getan überwinden?