Lifestyle

Enjoy it – hier und jetzt!

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Wie hast du die letzten Wochen verbracht? Waren sie für dich sehr anstrengend oder bist du doch eher zur Ruhe gekommen? Ich hoffe jedenfalls, es geht dir gut und dieser Shutdown hat dich in kein allzu großes Loch geworfen. Wenn wir so in die Runde blicken, dann sind diese Videos mit den Sportanleitungen ja wie die Schwammerl aus dem Boden geschossen – hier ein Workout, dort eine Challenge, dazwischen etwas Meditation oder Yoga. Auf jeden Fall gehört es anscheinend quasi einfach dazu, sich in dieser Zeit besonders viel körperlich zu betätigen, entweder das bisherige Training zu erweitern und zu vertiefen oder irgendeine Aktivität in sportlicher Form zu starten.

Der zweite auffällige Punkt für mich in dieser Zeit sind die Koch- und Backversuche oder auch Koch- und Backkünste, die immer wieder dargestellt werden. Die Menschen sind vermehrt zu Hause und da wird dann selbst der Kochlöffel geschwungen – bei der Vielzahl an Brotrezepten, die so durch die sozialen Medien geschwirrt sind, ist es wohl nicht verwunderlich, dass mancherorts die Germ oder das Mehl knapp geworden sind.

Ein weiterer Punkt, der auch immer wieder auftaucht, ist die sogenannte Corona-Diät, weil viele anscheinend aufgrund des Lockdowns zu Hause doch Einiges an Gewicht zugelegt haben. Zu viel gegessen, zu ungesund gegessen, zu wenig Bewegung und dergleichen soll also dazu beigetragen haben.

 

Ernährung

Ja, natürlich wissen wir alle, dass wir uns gesund ernähren sollen, wir alle kennen diese Ernährungsempfehlungen – einige, die es wohl schon ewig gibt und die immer bleiben, aber auch die anderen, die immer irgendwelchen Trends folgen und wie die Mode jahresweise oder jahreszeitenweise wechseln. Es ist uns natürlich klar, dass wir uns nicht jeden Tag den Bauch mit Wiener Schnitzel und Schokoladenkuchen vollschlagen sollen – es ist jedem klar, dass ein derartiges Verhalten sich negativ auf unseren Körper und sicherlich auch in weiterer Folge auf unsere Psyche und unseren Geist auswirkt. Außerdem können wir uns auf diese Speisen dann auch gar nicht mehr freuen, wenn wir sie häufig auf dem Tisch stehen haben – sie verlieren dann das Flair des Besonderen.

Aber wenn wir sie mal essen, dann soll das schon „ordentlich“ sein, denn seien wir ehrlich, wer kann die Schokoladentorte genießen, wenn so ein kleiner Gnom mit hochgehobenen Schild mir dabei vorrechnet, wie viele Kalorien in jedem noch so kleinen Bissen enthalten sind, wenn er mir ständig ins Ohr posaunt, wie schädlich der Zucker für meinen Körper und natürlich für meine Zähne ist und was für Folgeerscheinungen ich davon tragen kann oder werde.

 

Sport und Netflix

Ja und auch hier bei diesem Punkt macht er sich schon wieder wichtig, dieser kleine Gnom mit seinem Transparent und jetzt geht es ihm nicht um die gesunde Ernährung, nein – jetzt will er mich körperlich auf Trab bringen. Neben diesen ganzen Ernährungsweisheiten gibt es natürlich auch Anregungen, Tipps oder auch direkte Vorgaben für unseren Bewegungsapparat. Und da sind sie auch gleich wieder diese Überlegungen – jetzt noch schnell eine Folge auf Netflix oder doch zum Sport, jetzt noch einen Film schauen oder doch etwas für die körperliche Ertüchtigung machen?

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Natürlich will ich hier niemandem das Binge-Watching verleiden – so ein verregneter, trüber Sonntag eignet sich sicherlich hin und wieder, um es sich auf der Couch gemütlich zu machen und Folge um Folge zu schauen. Das sollten wir uns dann natürlich auch ganz direkt bewusst machen, es sollte eine explizite Entscheidung sein, zu der wir dabei stehen und dann auch ohne schlechtem Gewissen im Hinterkopf genießen.

Wenn wir zwar vor dem Gerät sitzen bleiben und doch noch schnell schauen wollen, wie sich unser Held in der nächsten Folge entwickelt, dabei aber ständig der Gedanke aufblitzt – eigentlich sollte ich am Projekt arbeiten, eigentlich sollte ich heute noch etwas vorvollständigen und einen Punkt ausarbeiten, dann ist das doch kein entspannter Genuss – wir sind doch nur hin und her gerissen zwischen den beiden Tätigkeiten und schlussendlich ist am Projekt nichts geschehen und die Serie haben wir auch nicht wirklich genossen. Das kann doch nur ein unbefriedigender Zustand auf beiden Seiten sein und keinesfalls zum Wohlgefühl beitragen.

 

Zusammenkunft und Zusammenräumen

In diesem weiteren Punkt geht es um die Zusammenkunft – ja, und hier ist das wirkliche Zusammentreffen mit den Freunden gemeint, nicht ein Zusammensitzen, wobei dann doch erst wieder ein Handy der Hauptakteur ist. Ich habe mich schon einige Male gefragt, warum diese ständige Erreichbarkeit vielen Menschen in solchen Momenten auch noch so wichtig erscheint, warum sie immer wieder auf ihr Smartphone schauen, um dort vielleicht eine unglaublich wichtige und nicht verzögerbare Nachricht zu sehen und da frage ich mich dann gleich weiter – was kann das denn bitte für eine Nachricht sein, die absolut keinen Aufschub zulässt? Mit vielleicht ganz, ganz wenigen Ausnahmen in einem Menschenleben ist es doch meistens egal, ob wir diese Mitteilung jetzt sofort oder in einer Stunde oder auch in mehreren Stunden lesen. Diese penetrante Einbindung des Handys zeigt meines Erachtens auch etwa, wie wenig Respekt den aktuellen Gesprächspartnern entgegengebracht wird – sie scheinen praktisch nur die Lückenfüller für etwas Anderes, vor allem Wichtigeres zu sein, auf das nebenbei gewartet wird.

Doch was hat das jetzt alles mit dem Zusammenräumen aus der Überschrift zu tun, haben sich sicherlich schon einige gefragt. Ich bin auch eher dieser pingelige und ordentliche Mensch, dem es wirklich schwerfällt, mal eine Fünf gerade stehen zu lassen. Daher: Wie sollen wir also ein Treffen genießen können, wenn uns ständig dieser Gnom mit seinem Hinweis auf die unaufgeräumte Wohnung im Kopf rumgeistert? Wie sollen wir auf unsere Freunde eingehen können, wenn wir uns in Gedanken immer mit dem nächsten Projekt beschäftigen – außer sie sind natürlich ein Bestandteil des Vorhabens? Wie sollen wir  Wohlgefühl aufbauen, wenn wir nebenbei immer auf die vielen, vielfach unnötigen Posts und Nachrichten am Handy schauen?

Daher wäre es doch wirklich sinnvoll, wenn wir uns dann wirklich mit allen Gedanken auf die Freunde konzentrieren und nicht an die Schmutzwäsche zu Hause denken, die auf eine Runde in der Waschmaschine wartet oder an das Fenster, das mit Blütenstaub verziert ist und nach etwas Reinigung mit frischen Wasser verlangt oder die To-Do-Liste, die noch nach ein paar Erledigungshakerl lechzt.

 

Genuss ohne Reue

Das alles soll jetzt natürlich kein Aufruf sein, sich mit Junk-Food vollzustopfen, die Arbeit zu vernachlässigen oder die Wohnung verludern zu lassen, sondern diese Punkte haben nur beispielhaft etwas versinnbildlichen sollen und ich denke, ihr wisst schon, worauf ich hinaus will: wir müssen doch auch mit uns selbst zufrieden sein können. Was soll denn das ansonsten für ein Leben sein, in dem Genuss keine Bedeutung hat, in dem wir nicht einmal etwas nur für unser Wohlbefinden und nicht für unsere Gesundheit oder unser Fortkommen oder unsere Arbeit tun, in dem wir uns – um hier nochmals explizit bei der Ernährung zu bleiben – immer nur kasteien oder vielleicht sogar irgendeine Diät halten, in dem wir es uns nie gönnen, mal was außerhalb der absoluten Ernährungsnormen und -empfehlungen zu verspeisen – dabei nehme ich natürlich bewusst alle Menschen aus, die aufgrund einer Krankheit eine spezielle Ernährung brauchen und konsequent sich an Diätvorschriften halten müssen.

Aber es gibt doch auch genug Menschen, die immer an ihrer Karotte knabbern und dabei

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die anderen ständig über den Cholesterinspiegel aufklären, sie über die möglichen schädlichen Inhaltsstoffe informieren und ihnen gleich einen bösen Blick zuwerfen, weil diese zu einem verwerflichen Cookie greifen. Wenn sie sich ständig zu etwas zwingen und mit etwas quälen, dann werden sie in den wenigsten Fällen zum dauerhaften Erfolg kommen oder sich zufrieden fühlen. Zu unserem Leben, zum Wohlfühlen und zum Glücksgefühl gehört somit auch Genuss in den verschiedensten Formen dazu – dabei ist aber wirklicher und echter Genuss gemeint und der kommt wohl in den seltensten Fällen, wenn wir am Salatblatt knabbern, uns nebenbei stundenlang durch ein Workout quälen und dann gleich wieder zu unserer To-Do-Liste hetzen.

Wirkliches Genießen hat jetzt nicht mit Zeitvergeudung zu tun oder mit schlechten Angewohnheiten. Ja, sicherlich ist Genuss mit einem Zeitaufwand verbunden, aber einem Aufwand, den wir doch gerne haben, weil wir daraus ja auch Wohlgefühl in einer besonderen Form ableiten können.

Gerade in diesen ungewohnten und vielleicht auch unsicheren Zeiten ist es wichtig, dass wir uns quasi etwas gönnen, dass wir uns selbst in irgendeiner Form Gutes tun. Das muss jetzt gar nicht mit Kosten oder großem Aufwand verbunden sein, das muss nichts Gigantisches und Außergewöhnliches sein – es gibt doch täglich eigentlich immer etwas, das wir genießen können. Wir müssen uns das nur besonders und explizit bewusst machen und es wirklich im Hier und Jetzt konzentriert erleben.

Da greife ich doch gleich wieder auf meine Schokoladentorte zurück und wir machen ein Gedankenspiel: ich sitze vor dem Laptop und arbeite an meinem Projekt und neben mir steht diese leckere Köstlichkeit. Ich tippe und schaue auf den Monitor und dazwischen schnappe ich mit der Gabel immer wieder einmal einen Bissen von der Torte und stecke ihn in den Mund, ohne dabei den Blick von meiner Ausarbeitung zu wenden. Und siehe da, plötzlich ist der Teller leer und mir ist dies gar nicht wirklich bewusst, dass ich schon so viele Stückchen zu mir genommen habe, also hole ich mir noch ein Stück von diesem Schokoladengebäck – doch trotz allem wird hierbei der Genuss nicht größer, ja – Quantität bringt‘s hier wohl nicht.

Alles, was so nebenbei – eventuell auch in großem Ausmaß – konsumiert wird, bringt uns nicht wirklichen Genuss. Da brauchen wir doch nur diese obligatorischen Naschladen hernehmen, in denen sich gerne alle möglichen Schokoriegel oder vielleicht auch Knabberzeugs befinden und die dann einfach so zwischendurch in den Mund gesteckt werden.

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Die Multitasker dürfen sich jetzt gleich an der Nase fassen, denn Multitasking ist hier einfach nicht gefragt – wir konzentrieren uns mit allen Sinnen auf eine Sache und erleben diese im Hier und Jetzt und zwar genau in diesem Augenblick. Wir sehen die Torte, wir atmen dabei den Duft der Schokolade ein, erst dann nehmen wir einen kleinen Bissen in den Mund und dieser wird nicht gleich verschlungen. Unsere Gedanken sind bei dem Stück Schokoladenköstlichkeit und werden nicht durch anderes abgelenkt – wir lassen es erstmal im Mund wirken, wir ertasten mit der Zunge seine Konsistenz, dieses Lockere und Fluffige, wir nehmen seinen Geschmack auf und schmecken die Süße und das Herbe der dunklen Schokolade. Unsere ganzen Gedanken sind jetzt auf diesen Moment gerichtet und wir genießen es.

Seien wir uns ehrlich, natürlich können wir uns noch ein weiteres Stück Torte gönnen und noch eines und noch eines, aber das Wohlgefühl ist mit dem ersten Stück erreicht und das vor allem, weil wir es ohne Reue genießen, weil wir den kleinen Gnom verscheucht haben und er in diesen Momenten nichts mitzureden hat und natürlich weil wir uns wirklich auch Zeit genommen haben für den Genuss und das Wohlgefühl. Wir tun uns dabei etwas Gutes, ohne es uns jetzt explizit verdient haben zu müssen, ohne eine Vorleistung erbracht haben zu müssen, und gönnen uns das auch.

 

Wirkliches Genießen hat doch im weitesten Sinne auch etwas mit einer Lebenseinstellung zu tun und das lässt sich sicherlich in jeden Tagesablauf einbinden – das können doch einfach diese fünf wunderbaren Minuten nach der Arbeit sein, in denen wir uns die Sonne ins Gesicht scheinen lassen und unseren Gedanken freien Auslauf gewähren, bevor wir ein weiteres Projekt starten. Das kann dieses kurze Chatten mit einem lieben Menschen sein, bevor wir uns dem Sport widmen, das kann der Genuss einer besonderen Teemischung mit einem Kuchen sein, bevor wir wieder aktiv werden, das kann das Beobachten eines Vogels bei seinem Flug oder das Spiel des Windes mit den Blättern sein, bevor wir weiter an unserer To-Do-Liste arbeiten.

Ja, das kann auch der Verlauf der Regentropfen auf der Fensterscheibe sein – es ist einfach etwas, auf das wir uns jetzt bewusst konzentrieren, das wir dabei auch genießen können, ohne im Hinterkopf schon quasi ein schlechtes Gewissen zu haben. Genießen hat daher auch etwas mit Loslassen zu tun – wir lassen den Druck von uns abfallen und leben wirklich im Augenblick und genießen unser Dasein in diesem Moment; das steht uns zu und da machen wir uns auch gleich von dem Gedanken frei, was andere davon halten oder denken.

 

Dazu können wir uns auch immer mal wieder an die Worte des berühmten italienischen Schriftstellers Boccacio halten:

Es ist besser zu genießen und zu bereuen, als zu bereuen, dass man nicht genossen hat.

Doch jetzt mal gleich zu dir – natürlich interessiert mich schon total brennend, wie es dir mit diesem Genießen und Gönnen geht: Kannst du dich auf etwas einlassen, dabei so richtig abschalten und die anderen Gedanken verbannen? Hast du eher diesen kleinen Gnom im Kopf, der dir einen Genuss mit seinen Argumenten und Hinweisen zu verderben versucht? Wobei fühlst du dich richtig wohl – womit tust du dir selbst etwas Gutes?