Gedankenplauderei

Choose hope! – Ich darf das!

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Eigentlich sollte das heute ein anderer Beitrag werden, eigentlich sollte ein anderes Thema im Mittelpunkt stehen, eigentlich würde sich hier auch die Überschrift vom letzten Mal anbieten – ein besonderer Tag in Wien, doch jetzt leider in der negativen Variante. Denn es gibt halt immer wieder mal Ereignisse in unserem Leben, die uns eine andere Perspektive zeigen, die uns andere Überlegungen bringen, die sich nicht nach unseren Vorstellungen richten.

So ist vor ein paar Tagen noch in sehr vielen Gesprächen der zweite Lockdown diskutiert worden, welche Maßnahme uns dieses Mal erwarten, was wir in den nächsten Wochen nicht mehr dürfen oder was wir müssen. Dabei sind natürlich auch die Ausgangsbeschränkungen zwischen 20 Uhr und 6 Uhr gerne erwähnt werden und unser Bundespräsident hat sich schließlich noch kurz vor 20 Uhr mit aufmunternden Worten zum Lockdown an die Bevölkerung gewandt.

 

Es ist passiert!

Ja und dann überschwemmt alles diese schockierende Nachricht – in Wien gibt es einen Terroranschlag. Es ist zwar zu Beginn nicht ganz klar, worum es sich hierbei handelt, aber es werden Schüsse von Langwaffen an verschiedenen Stellen in Wien auf Menschen abgefeuert, mitten im Herzen der Stadt beim Schwedenplatz – dort wo ich doch erst vor kurzem die Impfbim bestaunt und einen wunderbaren Wienbesuch erlebt habe.

Zuerst nur Unglaube, das passiert doch nicht in meinem geliebten Wien, in dieser wunderbaren Stadt in unserem kleinen Österreich. Doch nicht hier! Das kann doch nicht sein! Nein! Nein! Nein! Entsetzen, Unverständnis und Schrecken kommen hoch und dann dringt auch schon ein weiterer Gedanke an die Oberfläche: Da ist ja ein lieber Mensch im ersten Bezirk und auf einmal geht es mir hier wie bei Corona, nur natürlich in verschärfter Form. Ich höre davon, es ist alles weit weg und plötzlich sind wir auch in Österreich betroffen und schließlich betrifft es Menschen aus meinem unmittelbaren Umkreis.

Was ist mit ihr? Wie geht es ihr? Alle möglichen Schreckensbilder malen sich vor meinen Augen auf, ich habe das Handy umklammert und meine Blicke kleben am Bildschirm und verfolgen die Neuigkeiten. Nach einer gefühlten Ewigkeit dann der erlösende Anruf: sie befindet sich in einem bewachten Lokal und darf dieses vorläufig nicht verlassen. Trotzdem dauert es bis zur endgültigen Sicherheit noch viele zähe Stunden und diese zeigen uns, wie sich unser Leben von einem Moment auf den anderen verändern kann, wie fragil doch diese scheinbare Sicherheit ist, wie verwundbar und verletzlich wir doch alle sind.

 

Warum?

Am liebsten würde ich auch wie dieser Anwohner laut schreien „Schleich di, du Oaschloch“ – keine feinen Worte, derbe Ausdrücke, die wir ansonsten wohl nicht in dieser Form in den Mund nehmen würden. Aber für eine Person, die schwer bewaffnet loszieht und dann ohne Grund beliebig auf andere Menschen schießt und möglichst viele von ihnen töten will, ist das noch immer eine zu milde Bezeichnung. Wir sind tolerant, wir achten die anderen Menschen, aber wir wehren uns gemeinsam gegen Terror egal in welcher Form, egal von wem, egal mit welcher Motivation.

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Und da bin ich wieder bei meinen Überlegungen – wenn mir das jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass es in Österreich einen Terroranschlag gibt, hätte ich nur ungläubig den Kopf geschüttelt, ja wenn mir das im Laufe des Montags jemand gesagt hätte, hätte ich dem wohl nur schwerlich Glauben geschenkt und trotzdem ist es passiert. Sicherlich haben wir immer wieder von Terroranschlägen irgendwo auf der Welt gehört, natürlich haben wir auch von Terroranschlägen in Europa gehört und im Hinterkopf ist natürlich das Wissen, dass wir auch im kleinen Österreich davor nicht wirklich gefeit und gegen solche Anschläge nicht immun sind, doch wir wollten diesen Gedanken nicht wirklich aufkommen lassen.

Aber dann funkt das Leben mal dazwischen und das ist das wahre Leben, das auch mal nicht so Schönes parat hat und uns die Realität vor die Türen stellt: Ja, das ist auch bei uns möglich. Aber es bleiben die Fragen nach dem Warum: Warum, wir sind doch keine bedeutende Macht? Warum, Wien ist doch keine Weltmetropole? Warum, Österreich ist doch eher unbedeutend in dieser ganzen Weltkonstellation? Warum? Warum? Warum? Gibt es darauf überhaupt eine befriedigende Antwort?

 

Wenn die Stille laut wird

Irgendwie sind nun die Sicherheit und der Frieden, den wir mit dieser Stadt verbunden haben, angekratzt und so sehr wir diese Stelle auch auszupolieren versuchen, es wird immer dieses Mahnmal dieser Verletzung bleiben. Wenn ich wieder mit der Straßenbahn zum Schwedenplatz fahre, wird die Erinnerung an dieses schlimme Ereignis aufleben, wenn ich die Straße entlangschlendere, werden die Gedanken daran hochkommen und wenn ich in einem der angrenzenden Lokale einkehre, werden mich die Bilder nicht loslassen. Meine Gelassenheit bei einem Spaziergang durch diese wunderbare Stadt, die Selbstverständlichkeit von herrlichen Stunden sind verschwunden.

Wir werden wohl sehr lange Zeit noch daran denken, was sich hier zugetragen hat. Ja und diese Stille, die derzeit an den betroffenen Stellen herrscht, dieses ungläubige Erschrecken und diese Sprachlosigkeit ob dieses schrecklichen Ereignisses scheinen dennoch lauter zu sein als jeder Aufruf und jede Aufforderung. Wir trotzen dem, wir geben dem Bösen keine Genugtuung, indem wir uns nun voller Angst und Furcht verkriechen, sondern werden diese Stadt mit all ihren schönen Ecken wieder zu unserer machen. Unser Wien – unsere Stadt!

 

2020 – ein Schaltjahr

Vor noch nicht allzu langer Zeit wären unsere Augen wohl groß und rund geworden, wenn wir einen Blick in die Zukunft riskiert hätten. Die Menschen sind mit Mund-Nasen-Schutz unterwegs, es werden keine Hände geschüttelt und es gibt keine Umarmungen, dafür ist schwer bewaffnete Polizei unterwegs. Das hätte wohl gleich mal die Grundlage für einen kleinen Science-Fiction-Roman gebildet und trotzdem ist es bei uns zurzeit Realität.

Was ist mit diesem Jahr bloß los? Was ist mit dieser Zeit? War das vorhersehbar oder hat uns das einfach überrollt?

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Eine Freundin hat mir unlängst erklärt, dass Schaltjahre schlechte Jahre sind. Ok – 2020 ist ein Schaltjahr, aber dennoch gebe ich nichts auf solche Vorhersagen oder Prophezeiungen, auch wenn mich das heurige Jahr – vollkommen unabhängig von Corona – schon gefordert hat. Das sind natürlich alles eher einzelne und persönliche Ereignisse.

Ich denke aber auch, Corona ist für uns alle nicht nur das Schicksal für das Jahr 2020, das wird sicher nicht mit Jahresende fluchtartig aus unserem Leben verschwinden, sondern uns noch in das nächste Jahr oder vielleicht auch weitere begleiten, doch 2020 ist eben das Jahr, in dem sich dieser Virus über die gesamte Menschheit hergemacht hat.

Dieser Terroranschlag ist und bleibt dem heurigen Jahr als unfassbares und erschütterndes Ereignis zugeordnet und wird hoffentlich in den nächsten Jahren nicht wieder auftreten, obwohl dieser 02.11.2020 uns wohl allen noch lange oder für immer als denkwürdiges Datum in Erinnerung bleiben wird.

 

Maßnahmen

Ich denke, gerade in diesen ungewohnten und unsicheren Zeiten müssen wir besonders auf uns achten, besonders auf uns schauen und nach Vorne blicken. Wir können natürlich jetzt jammern und betrübt sein, weil Vieles nicht so ist, wie wir es gewohnt sind, und vielleicht Manches auch nie mehr so sein wird. Doch was bringt diese Jammerei und Suderei? Sie zieht uns doch eher noch mehr hinunter und das Suhlen im Selbstmitleid ist vielleicht gerade mal kurz angebracht, hat aber ansonsten auch nur negative Auswirkungen.

Doch wir können uns selbst am Schopf packen und aktiv werden, denn alleine einer Situation aktiv zu begegnen hilft uns schon mal, ihr den ersten Schrecken zu nehmen. Daher nehme ich gleich mal diese aktuellen Maßnahmen vom zweiten Lockdown aber auch den Schrecken des Anschlags in Angriff:

Musik hören
Wir können nicht zu einem Konzert gehen, aber wir dürfen Musik hören. Daher die Sound-Maschine angeworfen und den Lieblingssong abgespielt, vielleicht auch mal in Dauerschleife, bis wir das gequälte Gesicht des Partners sehen. Ja, und je nach Musikrichtung lässt sich das doch wunderbar erweitern: Wer hindert uns denn daran lautstark mitzusingen oder durch das Zimmer zu tanzen?

Lesen
Wir können in kein Theater gehen, aber wir dürfen lesen. Daher schnappen wir uns je nach Laune ein Buch und gehen im Krimi gespannt auf Tätersuche, zittern mit beim Thriller, amüsieren uns köstlich bei einer Komödie oder Satire und leiden mit bei einem Drama. Jeden Tag können wir so aufs Neue in die Gedankenwelt eintauchen und etwas Neues, Spannendes, Interessantes, Lustiges oder Mitfühlendes erleben.

Telefonieren
Wir können uns nicht mit dem Freundeskreis treffen, aber wir dürfen telefonieren. Also ran an die Quasselstrippe und lasst die Leitung glühen – ja und mit den heutigen technischen Möglichkeiten können wir auch kurz bei lieben Menschen im Ausland anklopfen, wir können eine Videokonferenz mit mehreren Personen einrichten.

Dazu brauchen wir nicht mal das Haus verlassen, sondern können uns die anderen direkt ins Wohnzimmer holen. Eine Freundin geht dabei ganz konsequent vor – sie schminkt sich und kleidet sich für diese Videotelefonate, wie wenn sie zu einem persönlichen Treffen gehen würde und nicht zu Hause wäre. Auch das stilgerechte Gläschen Prosecco steht bei ihr dann neben dem Bildschirm.

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  • Freude

Die derzeitigen Einschränkungen und Maßnahmen müssen wir nicht mögen, aber dennoch sind sie von uns einzuhalten und wir haben uns danach zu richten. Das hindert uns aber nicht daran, uns auch in diesen Zeiten über Kleinigkeiten zu freuen. Ich bin zwar kein Herbstfreund, aber die bunt gefärbten Blätter sind doch ein wunderschöner Anblick, dann vielleicht ein Kürbisbrownie oder ein Ingwertee – alles zum Wohlfühlen und zum Freuen, ganz unabhängig von Corona.

In diesem Zusammenhang hat doch unlängst eine befreundete Studentin die Frage nach dem schönsten Monat im heurigen Jahr in den Raum gestellt. Was war bisher die angenehmste Zeit? Welcher Monat hat heuer am meisten Freude bereitet? Ihre eindeutige Antwort: April, ihre Begründung: keine gesellschaftlichen Verpflichtungen, friedlich und entspannt die Zeit mit der Familie zu Hause zu genießen, ohne dabei das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Ja, bei ihr haben die Einschränkungen, die vielleicht auf den ersten Blick nur negativ wirken, zu einer wunderbaren Quality-Time geführt.

 

  • Leben

Nicht alle Tage in unserem Leben sind gute Tage, trotzdem lässt sich doch meist etwas Positives daran finden. Also bedenken wir doch: Wir müssen den Tag ja ohnehin leben, also warum nicht versuchen, ihn für uns so angenehm wie möglich zu machen? Denn wir können uns sehr wohl mit unseren Gedanken und Überlegungen selbst im Weg stehen und uns damit den Tag vermiesen.

Unsere Nachbarin hat sich doch unlängst über die abgesagten Veranstaltungen aufgrund des neuerlichen Lockdowns beschwert – „Welche Veranstaltung betrifft es denn bei dir?“, „Keine, ich habe für den November nichts gebucht.“ Aha, so geht es also auch: ich kann mich ärgern, weil ich etwas nicht machen darf, was ich ohnehin nicht machen wollte. Da regen sich manche Menschen über Maßnahmen auf, die sie sowieso nicht betreffen und ihr bisheriges Leben in diesem Bereich nicht verändern.

Daher erachte ich es als sinnvoller zu schauen, was ich machen darf, was bei diesen Maßnahmen möglich und erlaubt ist und wähle dann eben das aus, was für mich passt. Ich konzentriere mich also auf das Mögliche und empfinde die Einschränkungen daher nicht so gravierend, als wenn ich mein Augenmerk darauf richte, was zumindest momentan nicht zulässig ist.

 

  • Hoffnung

Die Hoffnung liegt in uns selbst und die kann uns daher auch nur jemand nehmen, wenn wir es zulassen. Sicherlich gibt es vielfach mal wirklich ausweglose und von uns nicht beeinflussbare Situationen, aber trotzdem ist unsere Reaktion darauf entscheidend.

So klingt es nach den letzten schrecklichen Ereignissen vielleicht für manche etwas naiv und weltfremd – aber ich hoffe darauf, dass wir wieder ohne Angst vor einer Corona-Infektion oder einem Terroranschlag leben können, dass wir wieder sorglos durch die Stadt Wien spazieren können, dass wir wieder ohne umfassende Sicherheitsmaßnahmen die Welt bereisen können.

Ein kleiner Funke, ein kleines Licht, das uns hilft, die derzeit vorherrschende Angst zu überwinden.

 

Lasst uns das nutzen, was wir haben, was wir dürfen, was wir können – das Jahr 2020 gehört zu unserem Leben, es ist unsere Lebenszeit, also machen wir daraus das Beste, auch wenn uns immer mal wieder unerwünschte Herausforderungen überraschen oder wenn nicht alles nach Plan verläuft. Unser Leben ist kein geradliniger Weg, aber es ist liegt an uns, wie wir mit Abweichungen umgehen, ob wir uns schmollend an den Wegrand setzen und über die vergeudete Lebenszeit jammern oder ob wir uns neu orientieren, die Perspektive wechseln und frischen Mutes wieder losstapfen.

Stay healthy and safe!